Verrat im Zunfthaus
einmischen?»
«Zu dir scheint sie Vertrauen zu haben. Immerhin war sie, wie ich hörte, heute früh noch einmal hier.»
«Herrin?» Franziska kam auf ihren Holzpantinen die Stiege heraufgepoltert und blieb vor der halboffenen Kammertür stehen. «Jungfer Marie ist unten und wünscht Euch zu sprechen.»
Neklas sah Adelina bedeutungsvoll an.
«Ich komme gleich», sagte Adelina zu Franziska und winkte ihr, Colin mit hinunter zu nehmen.
Als die Magd mit dem Kind hinaus war, richtete sie ihr Kleid und wollte aufstehen. Neklas hielt sie jedoch am Arm zurück. «Ich lasse Ludowig gleich mein Pferd satteln und werde Jupp bitten, ein Auge auf das Haus zu haben. Wenn du Hilfe benötigst, kannst du dich jederzeit an ihn wenden.»
«Sei vorsichtig beim Erzbischof, Neklas. Immerhin kennt er deine Geschichte.»
«Ich werde nicht länger dort bleiben als unbedingt notwendig.» Er zog sie noch näher zu sich heran und küsste sie. «Und ich habe immerhin keine verbotenen Schriften im Gepäck.»
Adelina zog die Augenbrauen zusammen. «Nein, weil du sie in unserer Kellerwand versteckt hast. Du wolltest sie doch an einen sicheren Ort bringen!»
«Das werde ich schon noch.»
«Wann?»
Er grinste. «Nicht, solange du ein solch finsteres Gesicht machst, geliebtes Eheweib.» Mit einem Ruck zog er sie wieder an sich, machte eine Drehung, und ehe sie sich versah, lag sie rücklings auf dem Bett. Sie wehrte sich empört, doch er hielt ihre Arme fest und küsste sie so lange, bis ihr Widerstand erlosch.
Etwas außer Atem sahen sie einander in die Augen. Neklas strich ihr zärtlich eine Haarsträhne hinters Ohr. «Bevor du Jungfer Marie empfängst, solltest du dein Haar richten.» Er lächelte. «Nicht, dass du mir so ohne Haube nicht auch gefallen würdest …» Er küsste sie erneut, diesmal jedoch wesentlich sanfter. «Sollte Thomasius auftauchen, geh zu Jupp. Wir haben das besprochen. In ein paar Tagen bin ich wieder da.» Er stand auf, ging zur Kleidertruhe und entnahm ihr ein sauberes Wams, Beinlinge und den neuen grauen Arztmantel, den er nur zu besonderen Anlässen trug. Während Adelina ihr Haar richtete und mit einer weißen, mit Rosenranken bestickten Haube bedeckte, wickelte er die Kleidungsstücke zu einem Bündel, drückte Adelina noch einmal kurz an sich und eilte dann die Stiege hinunter.
Adelina zupfte ihr Kleid glatt und betrachtete sich kurz in dem kleinen Spiegel an der Wand. Ihre Wangen waren leicht gerötet, was sie auf den heftigen Kuss schob. Sie lächelte in sich hinein. Die Farbe stand ihr gut und gab ihr trotz der beinahe unerträglichen Hitze ein frisches Aussehen. Sie zupfte noch einmal an der Haube, dann ging sie hinunter in die Apotheke, wo Marie auf sie wartete.
Kaum hatte sie die junge Frau begrüßt, ihr ihr Beileid ausgesprochen und eine Sitzgelegenheit angeboten, als Magda leise klopfte und einen Krug kühlen verdünnten Wein und zwei Becher brachte.
«Hier, Herrin. Bei dem Wetter müsst Ihr Euch ein wenig abkühlen. Ich habe mehr Wasser als sonst in den Wein getan, damit er nicht zu stark ist.»
«Danke, Magda.» Adelina nickte der Magd dankbar zu, goss sich und ihrem Gast Wein ein und sah dann Marie aufmerksam an. «Ihr seht blass aus, Jungfer Marie. Schlaft Ihr nicht gut?»
«Wie sollte ich wohl? Ich habe das Gefühl, gar nicht mehr zu schlafen!» Marie griff nach dem Weinbecher, führte ihn jedoch nicht an die Lippen. Ihre Finger zitterten. «Meine Schwester ist tot und nun auch noch Avarus. Es ist so schrecklich, was man ihnen angetan hat. Ich begreife es einfach nicht!»
«Wirklich nicht?»
Adelinas knappe Frage ließ Marie aufmerken. Überrascht sah sie von dem Becher hoch, und im nächsten Moment verdunkelte sich ihr Blick. «Was wollt Ihr damit andeuten? Glaubt Ihr, ich hätte etwas mit den beiden Morden zu tun?»
Adelina hielt ihrem Blick stand und antwortete bedächtig:«Ich denke, Ihr wisst, warum man Eure Schwester und ihren Verlobten umgebracht hat.»
Maries Finger verkrampften sich um den Becher. «Mein Onkel hat mich aufgesucht und mir von dem roten Karfunkelstein erzählt. Aber das ist nicht möglich! Bela hätte das nicht getan. Sie war ihrem Vater zwar sehr zugetan, aber sie hätte doch niemals einen solchen Verrat begangen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Walter von der Weiden das von ihr verlangt hätte.»
«Und wie erklärt Ihr Euch den Fund dieses Edelsteins?» Abwartend sah Adelina Marie an, die nun doch einen winzigen Schluck Wein trank und eine
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