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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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unverstanden durch die Gegend zu stolpern. Ich will Geld verdienen!«
    »Wenn ich mich recht entsinne«, sagte sie ruhiger, als sie in Wirklichkeit war, »hat Cobain nach dem zweiten Album ziemlich viel Kohle gescheffelt.«
    »Ja, aber das war vor elf Jahren, verdammt nochmal.«
    »Also?«
    »Also …«, sagte er, immer noch aggressiv nickend, »werden wir das anders anpacken. Rammstein, Megaherz, etwas in der Richtung. Die sind jetzt so richtig im Kommen, und wir könnten auf dieser Welle mitschwimmen. Und wenn das dem Penner da nicht passt, kann er meinetwegen auf dem Marktplatz rumjaulen, mit einem Schälchen für Kleingeld vor sich auf dem Boden. Aber nicht hier. Er hat noch keinen Cent in das alles hier investiert und nie einen Finger krummgemacht. Ich bin es, der seit Jahren dafür sorgt, dass der Laden läuft. Es wird höchste Zeit, dass er mal was tut für sein Geld.«
    Susan schaute Alex an und sagte leise: »Du entwickelst dich allmählich genau zu dem, was du immer verabscheut hast.«
    Wieder reagierte er mit einem verächtlichen Schnauben. »Ach, du hast ja keine Ahnung!«
    Susan schaute Reno an, der neben Alex so unbedeutend wirkte. Reno besaß nicht die Kraft, sich zu wehren, schon gar nicht gegen Alex. Und sie konnte es nicht stellvertretend für ihn tun. Ihr wurde klar, dass Reno nicht mehr lange bei Alex würde bleiben können. Dann hätte er nicht mal mehr eine Unterkunft und müsste tatsächlich in einer Seitenstraße des Marktplatzes sitzen und auf seiner Gitarre herumklimpern, um sich das Geld für sein Marihuana zu beschaffen. Genau wie all die anderen Versager. Eine Zukunftsvision, die sie zutiefst beunruhigte.
    Plötzlich wollte sie nur noch weg. Lieber war sie allein als in dieser Schlangengrube. »Na, ich geh dann mal wieder«, sagte sie und berührte Reno kurz an der Schulter. »Viel Glück, Reno.«
    Reno antwortete mit einem angedeuteten Nicken. Sie wollte sich auch noch von Alex verabschieden, aber der hatte sich bereits wieder weggedreht und tippte auf seinem Handy herum. Tat so, als sei sie Luft.
    Alice parkte den alten Porsche unten an der Einfahrt und stieg aus. Im Büro hatte sie behauptet, sie fühle sich nicht wohl. Niemand hatte das bezweifelt. Ihre Haut war über das Wochenende aschfahl geworden, ihre Augen blickten stumpf und darunter zeichneten sich tiefe Ringe ab. Selbst eine dicke Make-up-Schicht konnte das nicht vertuschen. Sie war nicht krank. Nicht im eigentlichen Sinne des Wortes jedenfalls, sie empfand kein körperliches Unbehagen. Sie war nach Hause gefahren, weil sie wissen wollte, was los war. Sie machte sich Sorgen. Sie hatte Sil nicht angerufen und Bescheid gesagt, dass sie unterwegs war. War einfach ins Auto gestiegen und losgefahren.
    Es war merkwürdig, so mitten am Tag nach Hause zu kommen. An der Tür zögerte sie hineinzugehen. Das Haus sah irgendwie anders aus. Wirkte abweisender. Weniger wie ihr Zuhause. Tagsüber war es Sils Terrain. Sie hatte keine Ahnung, was er so trieb, wenn sie nicht da war. Ein unbestimmtes Gefühl der Angst beschlich sie. Die Angst, möglicherweise irgendetwas zu entdecken, was sie gar nicht wissen wollte. Etwas, was er möglicherweise vor ihr verborgen hielt. Was alles erklären würde. Seine geistige Abwesenheit in den letzten Jahren. Sein Schweigen. Die Beinahe-Vergewaltigung letzten Freitag. Sein ausweichendes Verhalten.
    Sie öffnete leise und vorsichtig die Tür. Leise, um ihn nicht zu warnen. Sie hörte keine Musik. Das war das Erste, was ihr auffiel. Dadurch wirkte das Haus merkwürdig verlassen. Sie zog ihre Schuhe aus, stellte sie neben die Fußmatte und schlich auf Nylonstrumpfhosen weiter. Ihre Füße hinterließen feuchte Abdrücke auf den kühlen Fliesen. Sie ging hinunter ins Souterrain. Es brannte kein Licht und der Trainingsraum mit den Maschinen lag verlassen da. Sie kehrte leise zurück in den Flur und ging ins Wohnzimmer. Leer. Schaute in der Küche nach. Auch dort war er nicht.
    Dann hörte sie Geräusche im Arbeitszimmer. Leise lief sie über die Natursteine im Flur und blieb einen Meter vor der Tür stehen.
    Sil stand mit dem Rücken zu ihr an seinem Schreibtisch. Er hatte sie nicht gehört und wirkte äußerst gereizt. Sie erkannte es an seiner Körperhaltung. Ungeduldig betätigte er eine Taste des Telefons. Sie hörte durch den Lautsprecher das Rufzeichen. Nach dem viertem Mal ertönte ein Klicken und dann eine Stimme. Eine weibliche Stimme, eine fröhliche, sorglose, tiefe Stimme.
    »Hallo, hier ist Susan

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