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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Weltkrieg stattgefunden.«
    »Ach, ich werde alt, Susan, allmählich fange ich an, die Ereignisse durcheinanderzubringen.«
    »Sil, du nimmst mich auf den Arm.«
    »Ich nehme dich heute überhaupt nicht mehr. Du hast mich endgültig ausgesaugt. Ich bin fertig.«
    Sie rollte sich auf ihn und legte sich der Länge nach auf seinen Rücken, grub ihre Wange in die Kuhle zwischen seinen Schulterblättern und streichelte seine Schultern. Genoss seine Körperwärme.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich bin«, sagte sie. »Ich fühle mich vollkommen ruhig und ausgeglichen, weißt du das? Ganz im Gleichgewicht. Das ist etwas Besonderes. Eine völlig neue Erfahrung.«
    Er lächelte. »Ich fasse das mal als Kompliment an meine Potenz auf.«
    Als sie ihr Gewicht verlagerte, schnaufte er kurz und kniff die Augen zusammen. »Bitte geh von meinem Rücken runter, Susan. Du tust mir weh.«
    Träge ließ sie sich von seinem Rücken hinunterrollen und richtete sich auf. Jetzt erst sah sie den länglichen, etwa sechs Zentimeter breiten Bluterguss, der sich quer über sein Rückgrat hinwegzog. Sie setzte sich ganz auf.
    »Was hast du denn da gemacht?«
    »Ach, nichts Besonderes, nur eine kleine Verletzung«, murmelte er. »Hab gestern wohl zu hart trainiert.«
    »Na klar«, sagte sie. »Jonglierst du vielleicht mit deinen Hanteln? Du bist ja grün und blau. So was kriegt man doch nicht vom Krafttraining.«
    Achselzuckend antwortete er: »Mir ist tatsächlich eine Hantel draufgefallen. Wirklich dämlich.«
    »Trainierst du viel?«
    »Ja, ziemlich. Fast täglich, mindestens eine Stunde. Und vorher laufe ich an die sechzig Minuten.«
    »Warum tust du das?«
    Er schwieg einen Augenblick lang. »Ich brauche das. Ich muss mich abreagieren. Wenn ich nicht trainiere oder laufen gehe, werde ich verrückt. Gehe buchstäblich die Wände hoch. Ich brauche den Sport als Ventil, genau wie meinen Sportwagen.«
    »Als Ventil wofür?«
    »Ach, für alles Mögliche. Weil ich in einem Leben feststecke, das mich kribbelig macht. Als Mensch ist man nicht darauf programmiert, auf seinem Hintern vor einem Computerbildschirm oder vor dem Fernseher zu hocken und alles für sich regeln zu lassen, sondern es steckt in unseren Genen, dass wir aktiv auf die Suche nach Nahrung gehen müssen, jagen, kämpfen, uns fortpflanzen und verteidigen, neue Horizonte erobern.«
    Er drehte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf eine Hand.
    »Wir glauben, dass wir die Krone der Schöpfung sind«, fuhr er fort und streichelte ihr dabei abwesend durchs Haar. »Dass wir es als Spezies geschafft haben. Dass wir den Affen hinter uns gelassen haben. Der Mensch als Eroberer des Universums. Blödsinn. Jeder normale Gorilla hat sein Leben besser im Griff. Du brauchst dich nur umzuschauen, um festzustellen, dass unsere angebliche Kultiviertheit ein Witz ist. Eine Utopie.« Er schaute ihr plötzlich genau in die Augen. »Entschuldige, ich fange an zu predigen.«
    »Nein, rede weiter. Du hast ja völlig Recht.«
    Er drehte sich auf den Rücken und zog sie auf sich.
    »Wie geht es dir denn inzwischen, Susan? Kämpfst du immer noch?«
    »Immer und immer weiter«, antwortete sie leise. »Wenn mir alles zu viel wird, reagiere ich mich ab, indem ich Musik höre. In voller Lautstärke. Oder ich gehe zu einem Auftritt von Stonehenge. Wenn ich den ganzen Abend getanzt und mir die Lunge aus dem Hals geschrien habe, fühle ich mich hinterher wie neugeboren.«
    Er lächelte und fuhr mit den Lippen über ihre Wange. »Und wie oft wird dir alles zu viel?«
    »Kommt darauf an. Manchmal einmal in zwei Wochen. Manchmal jeden Tag.«
    Sie strich über seine Brust und fühlte, wie sich seine Muskeln unter ihren Fingerspitzen anspannten.
    »Aber es ist wirklich wahr«, sagte sie leise, »ich habe mich wirklich schon seit Ewigkeiten nicht mehr so im Einklang mit mir selbst gefühlt. Vielleicht war die Tatsache, dass du unerreichbar warst, eine der Ursachen für meine aufgestauten Frustrationen. Du ahnst ja nicht, wie sehr mich das belastet hat.«
    »Ich bin ja jetzt da. Aber deine innere Ruhe darf nicht nur mit mir zu tun haben. Das macht dich abhängig, und das ist nicht gut.«
    Hört, wer spricht, höhnte eine Stimme in seinem Kopf, aber er beachtete sie nicht.
    »Du solltest deinen eigenen Weg suchen«, sagte er. »Ohne dich darum zu kümmern, wie andere darüber denken. In die Richtung gehen, in die du willst. Und dabei hin und wieder nach rechts und links schauen, ob vielleicht jemand

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