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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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schließ die Tür auf.«
    Paul steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete eine der Türen. Sil folgte dicht hinter ihm. Sie standen in einem Zwischenflur. Vor ihnen befanden sich zwei weitere schwere Glastüren, in die das Programs4You -Logo eingeschliffen war. Links an der Wand, dicht neben der zweiten Tür, hing ein verchromtes Kästchen mit einer Plexiglasklappe davor.
    Paul ging zu dem Kästchen hin und streckte die Hand aus.
    »Leg mich bloß nicht rein, Paul«, warnte Sil. »Denn eines verspreche ich dir: Was auch geschieht, ich werde dich überall finden. Nächste Woche. Nächstes Jahr. Meinetwegen in zehn Jahren. Und ich schwöre dir, dass ich deinen Kopf hier vor deiner Firma auf einen Pfahl aufspießen werde.«
    Paul zuckte unwillkürlich mit den Schultern. Öffnete die Klappe und gab einen Code ein. Ein elektronisches Summen ertönte, und die Türen öffneten sich automatisch.
    Sil war immer noch misstrauisch. Er konnte nicht wissen, ob Paul den Zugangscode eingegeben hatte oder den des stillen Alarms, sodass es hier in ein paar Minuten vor Polizei wimmelte. Er an Pauls Stelle hätte das ganz sicher getan. Zweifellos. Aber er war an Stresssituationen gewöhnt. Paul nicht.
    »Das Band«, sagte er. »Wo ist es?«
    »In meinem Büro.«
    »Los.«
    Im Gebäude war es dämmrig, aber nicht ganz dunkel. Das Glas ließ viel Licht von außen herein. Sil folgte Paul. Ihre Schritte hallten hohl in den hohen Räumen wider. Sil hatte keine Ahnung, ob sie in die richtige Richtung liefen. Er war noch nie hier gewesen. Er dachte daran, dass Alice hier ein und aus gegangen war, fast täglich in den letzten Jahren. Sie kannte den Betrieb wie ihre Westentasche. Hatte ihn gekannt, verbesserte er sich innerlich, und wieder zog sich sein Magen zusammen. Er unterdrückte einen Schauder.
    Sie nahmen die Treppe bis in die oberste Etage und gelangten in Pauls Büro. Paul streckte den Arm aus, um das Licht einzuschalten, doch Sil hielt ihn zurück und leuchtete mit der Taschenlampe. Ließ den Schein auf Pauls Gesicht fallen. Paul sah nicht gut aus.
    Es lag nicht an der gebrochenen Nase, an der geronnenes Blut klebte. Es waren seine Augen. Stumpf, erschöpft, wie die eines Achtzigjährigen, dem das Leben übel mitgespielt hatte.
    Paul war heute Nacht innerhalb weniger Stunden um vierzig Jahre gealtert.
    Sil fragte sich, ob es das wert war. Paul war ein Arschloch, aber war das ein Grund, ihn umzubringen? Ging er nicht zu weit, wenn er das hier bis zum Ende durchzog? Ging er nicht ohnehin schon zu weit? Und dann stellte er sich die Frage, die ihn am meisten schmerzte, nämlich ob er nicht ebenso große Schuld an Alice’ Tod trug wie Paul.
    »Die Videos sind hier nebenan«, sagte Paul und ging ihm voraus in einen angrenzenden Raum. Es war stockdunkel darin.
    »Ich kann nichts sehen, hier muss ich wirklich das Licht einschalten. Der Raum hat keine Fenster.«
    »In Ordnung«, sagte Sil und schloss die Tür hinter sich. Das plötzlich aufflammende Licht war so grell, dass er automatisch die Augen zukniff. Dabei zielte er weiterhin mit der HK in die Richtung, in der er Paul vermutete. Er blinzelte.
    Im nächsten Moment wurde ihm die HK aus der Hand getreten. Er fiel rückwärts um. In Bruchteilen von Sekunden saß Paul auf ihm. Umklammerte seinen Hals mit beiden Händen, mit einer ungeheuren Kraft, wie sie nur Menschen in Todesangst mobilisieren können. Sil versuchte, Atem zu holen, aber die Luftzufuhr war ihm abgeschnitten, und er spürte einen zunehmenden Druck auf dem Kehlkopf. In einem Reflex drückte er das Kinn auf die Brust und spannte seine Nackenmuskeln an. Flecken tanzten ihm vor den Augen, und er hörte Paul keuchen und schnaufen wie einen Wahnsinnigen.
    Er wird mich umbringen, schoss es ihm durch den Kopf, er wird mich verdammt nochmal umbringen!
    Er fuhr wie wild mit einem Arm über den Teppichboden, fühlte den Flor und berührte schließlich das kalte Metall der HK. Doch er schob die Waffe nur noch weiter weg und hätte sie ohnehin nicht greifen können.
    Paul muss jetzt loslassen, dachte er verzweifelt, jetzt sofort. Der letzte Rest Sauerstoff in seinem Körper war aufgebraucht. Er spürte, wie seine Muskeln übersäuerten und wie das Leben Millimeter für Millimeter aus ihm herausgepresst wurde.
    Mit letzter Energie griff er nach Pauls Haaren, seinen Ohren, seinem Gesicht. Er presste beide Händeflächen mit voller Kraft rechts und links gegen seinen Kopf und bohrte ihm die Daumen in die Augenhöhlen. Er drückte und

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