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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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Einschätzung wie im Zweifel auch der ihren, in Kürze dran glauben muss. Aber nicht hier und nicht jetzt. Nicht am hellen Tag, während das gesamte Hotel zuschaut und nur zwanzig Meter weiter sieben saubere Emissäre, ein angesehener britischer Parlamentarier sowie andere Würdenträger Champagner und Canapés vertilgen. Abgesehen davon, dass der Prinz bekanntermaßen etepetete mit seinen Ermordungen ist, ein Freund von Unfällen oder willkürlichen Terrorakten marodierender tschetschenischer Banditen.
    Aber diese Frage muss ein andermal geklärt werden. Wenn der Plan, um mit Hector zu sprechen, in die Hosen gegangen ist, dann ist es Zeit für Luke, Flexibilität zu beweisen, Zeit, nicht den Zeh ins Wasser zu stecken, sondern reinzuspringen, um abermals Hector zu zitieren – Zeit also, all das umzusetzen, was ihm über die Jahre in etlichenKursen für unbewaffneten Nahkampf eingehämmert worden ist, aber nie gefragt war außer jenes eine Mal in Bogotá, wo sich sein Abschneiden bestenfalls mit Ausreichend bewerten ließ: ein paar wilde Schläge, dann Dunkel.
    Doch damals hatten die Handlanger des Drogenbarons das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, und jetzt hat Luke es. Zwar kann er weder auf die empfohlene Papierschere zurückgreifen noch auf die Hosentasche voll Kleingeld, zusammengeknotete Schnürsenkel oder irgendwelche anderen im Haushalt vorrätigen Tötungsutensilien, auf die die Ausbilder schwören, aber er hat einen hochmodernen silbernen Laptop und, nicht zuletzt dank Aubrey Longrigg, eine Mordswut im Bauch. Sie ist über ihn gekommen wie ein rächender Gott, und für den Augenblick leistet sie ihm bessere Dienste als Heldenmut.
    * * *
    Dima streckt die Hand aus, um die Tür auf dem Absatz der Steintreppe aufzudrücken.
    Niki und der Philosophenschädel stehen dicht hinter ihm, und hinter ihnen, aber nicht ganz so nah, steht Luke.
    Luke ist befangen. Der Gang zur Toilette ist eine intime Angelegenheit, und Luke hält sehr auf Intimsphäre. Dennoch erlebt er in diesem Moment ein überwältigendes Gefühl innerer Klarheit. Dieses eine Mal liegt die Initiative bei ihm und niemand anderem. Dieses eine Mal ist der rechtmäßige Angreifer er.
    Wie Dima in Paris sehr richtig bemerkt hat, kann die Tür, vor der sie stehen, aus Sicherheitsgründen abgesperrt sein, aber nicht heute. Heute wird sie sich öffnen lassen, und das liegt daran, dass der Schlüssel in Lukes Tasche steckt.
    Und so öffnet sie sich, und man sieht trüb ausgeleuchtete Stufen abwärts führen. Dima geht noch immer voran, aber die Lage ändert sich drastisch, als ein gewaltiger Schlagmit Lukes Laptop den Philosophen sang- und klanglos an Dima vorbei die Treppe hinunterkollern lässt, wodurch Niki ins Schwanken gerät, was wiederum Dima Gelegenheit gibt, diesem verhassten blonden VerräterGorilla so an die Gurgel zu gehen, wie er es nur allzu gern mit dem Mörder von Nataschas Mutter gemacht hätte.
    Eine Hand um Nikis Kehle geschlossen, drischt ihm Dima den verdutzten Kopf rechts und links gegen die Wand, bis der nutzlose, durchtrainierte Körper in sich zusammensackt und der Mann ohne einen Mucks zu seinen Füßen landet, was Dima dazu bewegt, ihn oft und sehr heftig zu treten, erst in die Leiste und dann gegen die Schläfe, alles mit der Spitze seines unmäßig feinen italienischen Schuhs.
    All dies spielt sich für Luke sehr langsam und selbstverständlich ab, etwas zeitversetzt zwar, aber mit kathartischer und sonderbar triumphaler Wirkung. Einen Laptop in beide Hände zu nehmen, ihn mit gestreckten Armen hochzuschwingen und wie das Beil des Henkers auf das Philosophengenick niedersausen zu lassen, das sich zuvorkommenderweise ein paar Stufen unter ihm befindet, entschädigt ihn für alle Schmach der letzten vierzig Jahre, von der Kindheit unter der Fuchtel eines tyrannischen Soldatenvaters über die diversen englischen Privatschulen, die er alle wie die Pest gehasst hat, die zahllosen Frauen, mit denen er geschlafen hat, ohne es wirklich zu wollen, bis hin zu dem kolumbianischen Urwald, Schauplatz seiner Gefangenschaft, und dem Diplomatenghetto in Bogotá, Schauplatz der idiotischsten und freudlosesten Sünden seines Lebens.
    Aber letzten Endes ist es doch der Drang, Aubrey Longrigg für seinen Verrat am Geheimdienst zu bestrafen, der wider alle Vernunft den stärksten Antrieb liefert, denn wie Hector liebt auch Luke den Geheimdienst. Der Geheimdienst ist ihm Mutter und Vater und sein Stückchen Gott dazu,selbst wenn seine Ratschlüsse

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