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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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empfand Perry, eher einem leicht nostalgischen, so als blickten sie auf ein gemeinsames Leben zurück – und ein wenig kam es Perry inzwischen tatsächlich so vor.
    »Und dann, wir spielen Wimbledon, ja?«
    »Auf jeden Fall. Oder sonst in Queen’s. Da bin ich immer noch Mitglied.«
    »Kein Schwuchteltennis, hörst du?«
    »Kein Schwuchteltennis.«
    »Mit Wetten, okay? Bisschen Zug reinbringen?«
    »Kann ich mir nicht leisten. Auf einmal verlier ich.«
    »Bist du Schisser, hm?«
    »Ich fürchte, ja.«
    Und dann die gefürchtete Umarmung, das nicht enden wollende Eingezwängtsein an dem mächtigen, feuchten, bebenden Torso, das sich zog und zog. Aber als sie sich voneinander lösten, war Dimas Gesicht stumpf, die braunen Augen wie erloschen. Im nächsten Moment machte er wie auf ein Kommando hin kehrt und ging hinüber ins Wohnzimmer, wo Tamara wartete.
    * * *
    Es war nie eine Option gewesen, dass Perry mit Dima nach England fliegen könnte, weder an diesem Abend noch irgendwann später. Das hatte Luke von Anfang an gewusst, und er brauchte die Frage gar nicht ganz auszusprechen, bevor schon Hectors lapidares Nein kam. Hätte er plötzlich ja gesagt, dann hätte Luke Einspruch erhoben: Ungeschulte, enthusiastische Amateure als Begleitschutz für hochgehandelte Verräter, das lief allen seinen professionellen Grundsätzen zuwider.
    Und so war es nicht Rücksicht auf Perrys Gefühle, sondern reine operative Vernunft, die Luke bewog, ihn bis Bern-Belpmitkommen zu lassen: Wenn man einen wichtigen Gewährsmann schon brutal von seiner Familie losriss, um ihn ohne echte Garantien an das Hauptquartier auszuliefern, so sagte er sich seufzend, dann war es wohl klug, ihm nicht auch noch den Trost seines erwählten Beschützers zu nehmen.
    Doch die herzzerreißenden Abschiedsszenen, auf die Luke sich eingestellt hatte, blieben ihm erspart. Es wurde dunkel. Stille herrschte im Haus. Dima beorderte Natascha und seine beiden Söhne zu sich in den Wintergarten, um dort mit ihnen zu sprechen. Perry und Luke warteten derweil außer Hörweite in der Diele, Gail hielt die Mädchen bei Mary Poppins fest. Für seinen Antrittsbesuch bei den Gentlemen des Secret Service trug Dima den blauen Nadelstreifenanzug. Natascha hatte ihm sein bestes Hemd gebügelt, Viktor hatte die italienischen Schuhe gewienert, und Dima sorgte sich nun, dass sie ihm schmutzig werden könnten auf dem Weg hinunter zum Jeep. Aber da kannte er Ollie schlecht, denn Ollie hatte in der Diele nicht nur Decken, Handschuhe und dicke Wollmützen für die Fahrt über den Berg bereitgelegt, sondern auch ein Paar Gummigaloschen für Dima. Und Dima musste seiner Familie verboten haben, ihm zu folgen, denn er kam allein heraus, so forsch und unbußfertig aussehend wie in der Hotelhalle des Bellevue Palace, als er zeitgleich mit Aubrey Longrigg durch die Schwingtür getreten war.
    Bei dem Anblick packte Luke ein Gefühl, wie er es seit Bogotá nicht mehr gekannt hatte. Hier kommt er, unser Kronzeuge – und auch Luke wird ja aussagen! Wenn nicht als Zeuge A hinter der Trennscheibe, dann als der schlichte Luke Weaver davor. Er wird ein Aussätziger sein, wie Hector. Und er wird mithelfen, Aubrey Longrigg und seine fröhliche Crew am Mast festzunageln, zum Teufel mit dem Fünf-Jahres-Vertrag als Ausbilder und einem schicken Häuschen ganz nahebei, zum Teufel mit guter Seeluft,guten Schulen für Ben und der Aussicht auf eine höhere Rente, während das Haus in London erst mal vermietet wird, nicht verkauft. Er wird damit aufhören, Promiskuität mit Freiheit zu verwechseln. Er wird um Eloise kämpfen und immer weiter kämpfen, bis sie wieder an ihn glaubt. Er wird sämtliche Schachpartien mit Ben zu Ende spielen und sich einen Job suchen, bei dem er zu einer vernünftigen Zeit nach Hause kommt und die Wochenenden freihat für ein echtes Familienleben, und verflixt, er ist erst dreiundvierzig und Eloise noch nicht mal vierzig.
    Und so schien es Luke Schlusspunkt und Neubeginn in einem, als er nun neben Dima trat und sie alle drei Ollie hinunter zu dem Schuppen folgten, wo der Jeep geparkt stand.
    * * *
    Allzu viel nahm Perry bei aller Bergleidenschaft anfangs nicht wahr. Nur der Mond leuchtete durch die Bäume, als sie hinauf zur Kleinen Scheidegg fuhren, mit Ollie am Steuer und Luke neben ihm auf dem Beifahrersitz, und bei jeder der scharfen Kehren, die Ollie mit Standlicht nahm, sackte Dimas massiger Leib schwer gegen Perrys Schulter, denn Dima stützte sich nur im Notfall ab und

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