Verr�ter wie wir
beide Seiten ihren Sieg heimtrugen – also ziemlich spät im Spiel, wenn man so will –, konnten Sie auf einmal in den geparkten Minivan hineinsehen. Habe ich das richtig verstanden?«
»Wir wollten schon grade die Pflöcke rausziehen«, nickte Perry. »Und plötzlich stand die Seitentür offen, und da waren sie. Vielleicht wollten sie etwas frische Luft. Oder einenfreieren Blick. Was weiß ich. Es war wie der Besuch einer königlichen Hoheit. Inkognito.«
»Und wie lange war die Tür schon offen?«
Perry auf der Hut vor seinem unvergleichlichen Gedächtnis. Perry, der ideale Zeuge, der immer misstrauisch gegen sich selbst blieb, nie übereilt antwortete, sich immer neu Rechenschaft ablegte. Ein weiterer Perry, den Gail liebte.
»Weiß ich ehrlich gesagt nicht, Luke. Kann ich Ihnen nicht beantworten. Wir beide nicht« – mit einem raschen Blick hinüber zu Gail, die den Kopf schüttelte: nein, auch sie nicht. »Ich schaute hin; Gail sah mich schauen, richtig? Also schaute sie auch. Wir haben sie beide gesehen. Dima und Tamara, Seite an Seite, kerzengerade aufgerichtet, Dunkel und Hell, Dünn und Dick, wie sie vom Rücksitz des Vans zu uns herausstarrten. Und peng! , knallt die Tür wieder zu.«
»Sie starrten. Kein Lächeln also«, vergewisserte sich Luke leichthin und machte eine Notiz.
»Es war etwas – gut, ich habe es schon gesagt – etwas Hoheitliches an ihm. Doch. An beiden. Die erhabenen Dimas. Wenn einer von ihnen die Hand ausgestreckt und eine seidene Kordel gezogen hätte, damit der Kutscher weiterfuhr, hätte es mich kein bisschen gewundert.« Er hing dem Bild ein wenig nach, bekräftigte es dann mit einem Nicken. »Auf einer Insel wirken große Menschen noch größer. Und die Dimas waren – ja, große Menschen. Sind es noch.«
Yvonne hat einmal wieder ein Photo für sie parat, diesmal ein Fahndungsbild in Schwarzweiß: das Gesicht von vorne und im Profil, zwei blaue Augen, ein blaues Auge. Und der zerschundene, verschwollene Mund eines Mannes, der gerade eine freiwillige Aussage abgegeben hat. Gail kraust missbilligend die Nase. Sie tauscht einen Blick mit Perry, und sie sind sich einig: niemand, den wir kennen.
Aberso schnell gibt Yvonne als echte Schottin nicht auf.
»Wenn ich ihm jetzt aber eine Lockenperücke aufsetze und ihm das Gesicht so ein klein bisschen abtupfe, meinen Sie nicht, dann könnten Sie eventuell Ihren Fitness-Fanatiker in ihm sehen, letzten Dezember, als er frisch aus dem italienischen Gefängnis entlassen war?«
Doch, denkbar wäre es. Sie rücken enger zusammen. Sie sind sich sicher.
* * *
Angekündigt wurde ihnen die Einladung noch am selben Abend von dem verehrungswürdigen Ambrose, als er Perry im Captain’s-Deck-Restaurant einen Probeschluck Wein ins Glas schenkte. Perry, der Puritanersohn, imitiert keine Stimmen. Gail, die Schauspielertochter, tut nichts lieber als das. Sie übernimmt die Rolle des verehrungswürdigen Ambrose selbst:
»Ja, morgen werd ich ja nicht das Vergnügen haben, die jungen Herrschaften zu bedienen. Und wollen Sie wissen, warum? Weil die jungen Herrschaften morgen Abend die hochgeehrten Überraschungsgäste von Mr Dima und seiner Frau Gattin zum vierzehnten Geburtstag von Mr Dimas Zwillingssöhnen sein werden, die Sie heute persönlich in die edle Kunst des Kricketspiels eingeführt haben, wie ich höre. Und meine Elspeth, sie hat die größte, köstlichste Walnusstorte gebacken, die die Welt je gesehen hat. Noch eine Spur größer, Miss Gail, und diese Kinder würden wahrscheinlich denken, Sie kommen aus ihr herausgesprungen, so abgöttisch lieben sie Sie.«
Und gleichsam als Abschlusstusch überreicht Ambrose ihnen ein Kuvert, adressiert an Mr Perry und Miss Gail . Darin zwei von Dimas Visitenkarten, mattweißes Büttenpapier wie bei Hochzeitseinladungen, mit seinem vollen Namen darauf: Dimitri Wladimirowitsch Krasnow, European Director, The Arena Multi Global Trading Conglomerate, Nikosia, Zypern . Gefolgt von der Website-Adresse der Firma sowie einer Anschrift in Bern, unter der Wohnsitz und Geschäftsräume steht.
4
Falls es einem von ihnen einfiel, Dimas Einladung auszuschlagen, gaben sie es jedenfalls nicht voreinander zu, so Gail:
»Wir machten es ja für die Kinder. Hurra, unsere zwei Rabauken feiern Geburtstag. In diesem Geist wurde uns die Sache verkauft, und in diesem Geist haben wir zugesagt. Aber mir ging es um die beiden Mädchen« – neuerliche Erleichterung darüber, dass sie es geschafft hatte, Natascha aus dem
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