Verr�ter wie wir
sie über die Bucht zu uns herüber. Bildeten wir uns jedenfalls ein, was unterm Strich auch nicht besser war. Und für den Strand brauchten sie nicht mal Ferngläser. Sie mussten sich einfach nur über die Gartenmauer lehnen und gaffen. Das hatten sie anscheinend auch fleißig getan, denn wir saßen gerade ein paar Minuten an unserem Platz, als schon der Minivan angerumpelt kam.«
Derselbe milchgesichtige Leibwächter – Perry jetzt wieder. Nicht an der Bar postiert diesmal, sondern unter einem Baum auf einer kleinen Anhöhe. Und anstelle von Onkel Wanja aus Perm mit seiner Schottenmütze und der Knarre heute die Zweitbesetzung: so ein langes Elend, Fitness-Fanatiker offenbar, denn statt zum Ausguck hochzuklettern, tänzelte er mit einer Stoppuhr in der Hand den Strand auf und ab, und an jedem Ende legte er eine kleine Tai-Chi-Pause ein.
»Kraushaariger Bursche«, sagte Perry, während sich das Grinsen unaufhaltsam über sein ganzes Gesicht ausbreitete. »Bewegungshungrig. Na ja, manisch trifft es wohl eher. Konnte keine fünf Sekunden stillhalten. Und mager ist gar kein Ausdruck. Klapperdürr. Ein neu eingetroffenes Mitglied der Familie Dima, nahmen wir an. Wir waren zu dem Schlussgekommen, dass sich bei den Dimas die Vettern aus Perm die Klinke in die Hand gaben.«
»Jedenfalls musste Perry nur einen Blick auf die Kinder werfen«, sagte Gail. »Auf die Jungs besonders – und du dachtest, ach du Schreck, was machen wir bloß mit dieser Truppe? Dann hattest du deinen Geistesblitz für diese Ferien: Kricket. Gut, wenn man Perry kennt, so ein Geistesblitz auch wieder nicht. Er braucht nur einen zerkauten Hundeball und ein Stück Treibholz, und schon ist er dem nicht Kricket spielenden Teil der Menschheit abhandengekommen. Stimmt’s, Perry?«
»Wir haben das Spiel sehr ernst genommen, wie es sich auch gehört« – Perry modellierte sein Lächeln zu einem nicht sehr überzeugenden Stirnrunzeln um. »Wir haben uns aus Treibgut ein Tor gebaut, mit Zweigen als Querholz, der Bademeister hat für uns einen halbwegs brauchbaren Schläger und Bälle aufgetrieben, wir haben eine Handvoll Rastas und britische Opas fürs Außenfeld zusammengetrommelt, und schon hatten wir sechs Mann auf jeder Seite, Russland gegen den Rest der Welt, eine absolute Premiere. Ich schickte die Zwillinge los, damit sie Natascha ins Tor holten, aber sie kamen zurück und sagten, sie würde irgend so einen Kerl namens Turgenjew lesen, von dem sie noch nie gehört haben wollten. Die nächste große Herausforderung bestand darin, die heiligen Gesetze des Krickets einer« – und wieder das Grinsen, das sich von einem Ohr bis zum anderen ausbreitete –, »einer ziemlich gesetzlosen Bande zu vermitteln. Nicht die alten Herren und die Rastas natürlich. Die hatten Kricket mit der Muttermilch aufgesogen. Aber die jungen Dimas waren echte Internatsbrut. Ein bisschen Baseball, das kannten sie, aber sie sahen partout nicht ein, warum sie mit gestrecktem Arm werfen sollten, statt ordentlich auszuholen. Die kleinen Mädchen mussten ein bisschen diszipliniert werden, aber als wir die Opas einmal als Schlagmänner vergatterthatten, gaben die zwei ganz brauchbare Läufer ab. Und wenn ihnen zwischendurch langweilig wurde, holte Gail ihnen was zu trinken und ging eine Runde schwimmen mit ihnen, nicht wahr, Gail?«
»Uns schien es die Hauptsache, sie beschäftigt zu halten«, ergänzte Gail, ganz bewusst im gleichen sportlichen Ton wie Perry. »Ihnen keine Zeit zum Grübeln zu lassen. Die Jungs waren Feuer und Flamme, egal, was wir machten. Und die Mädchen – schon ihnen ein Lächeln zu entlocken war für mich … ich meine, Herr gott …« Sie ließ den Rest unausgesprochen.
Perry sah ihre Not und eilte ihr zu Hilfe.
»Schwierige Sache, auf diesem weichen Sand ein ordentliches Kricketfeld hinzukriegen«, erklärte er Luke, um ihr Zeit zu geben. »Würfe versacken, Schläge kentern, wie Sie sich ja wohl vorstellen können.«
»Lebhaft«, stimmte ihm Luke, der rasch auf seinen Ton einschwenkte, markig zu.
»Nicht dass es irgendwen gestört hätte. Alle hatten einen Heidenspaß, und für die Sieger gab es ein Eis. Wir erklärten es zum Unentschieden, so dass beide Seiten welches bekamen«, sagte Perry.
»Bezahlt von dem neuen vorsitzenden Onkel?«, regte Luke an.
»Das hatte ich unterbunden«, sagte Perry. »Das Eis ging strikt auf unsere Rechnung.«
Gail hatte sich wieder gefangen, und Lukes Stimme nahm gleich einen ernsteren Ton an:
»Und während
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