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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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strikt um Unverfänglichkeit bemüht, erkundigt sich, wie weit Natascha in der Schule ist, welche Fächer sie am liebsten mag und in welchen sie Abitur machen will. Seit sie bei Dima und Tamara lebt, erklärt Natascha, besucht sie eine Klosterschule im Kanton Fribourg und kommt an den Wochenenden heim.
    »Bedauerlicherweise glaube ich nicht an Gott, doch das ist unwesentlich. Im Leben ist es häufig nötig, religiöse Überzeugung zu heucheln. Am liebsten mag ich Kunst. Max ist ebenfalls sehr künstlerisch. Vielleicht studieren wir beide zusammen Kunst in St. Petersburg oder in Cambridge. Es wird sich entscheiden.«
    »Ist er katholisch?«
    »In der Ausübung unterwirft sich Max der Familienreligion. Das kommt, weil er pflichtbewusst ist. Aber in seiner Seele glaubt er an alle Götter.«
    Und im Bett, fragt Gail sich, aber nicht Natascha, unterwirft er sich da auch der Familienreligion?
    »Und wer weiß noch alles von dir und Max?«, sagt sie in dem gleichen gemächlich-leichtherzigen Ton, den sie bisher durchgehalten hat. »Außer seinen Eltern natürlich. Oder wissen die es am Ende auch nicht?«
    »Die Situation ist kompliziert. Max hat einen extrem starken Eid geschworen, dass er niemand etwas von unserer Liebe verraten wird. Auf dies habe ich bestanden.«
    »Nicht mal seiner Mutter?«
    »Auf die Mutter von Max ist nicht Verlass. Sie ist gefangen in bürgerlichen Wertvorstellungen, außerdem auch geschwätzig.Wenn es praktisch für sie ist, wird sie es ihrem Mann sagen, dazu vielen anderen bürgerlichen Personen.«
    »Wäre das denn so schlimm?«
    »Wenn Dima erfährt, dass Max mein Geliebter ist, kann es sein, dass Dima ihn tötet. Es liegt in Dimas Natur, gewaltbereit zu sein.«
    »Und Tamara?«
    »Tamara ist nicht meine Mutter«, faucht sie mit einem Auflodern der väterlichen Gewaltbereitschaft.
    »Was wollt ihr also tun, wenn du feststellst, dass du tatsächlich schwanger bist?«, fragt Gail leichthin, während ein Schauer von Funkengarben die Landschaft erleuchtet.
    »Im Augenblick der Gewissheit werden wir sogleich in die Fremde fliehen, vielleicht nach Finnland. Max regelt alles. Gegenwärtig ist es nicht praktisch, weil er auch Bergführer ist. Wir werden noch ein Monat warten. Vielleicht können wir in Helsinki studieren. Vielleicht auch bringen wir uns um. Man wird sehen.«
    Gail hat die schwerwiegendste Frage bis zuletzt aufgehoben, vielleicht weil ihre bürgerlichen Wertvorstellungen sie vor der Antwort zurückscheuen lassen:
    »Und dein Max ist wie alt, Natascha?«
    »Einunddreißig. Aber in seinem Herzen ist er Kind.«
    So wie du auch, Natascha. Ist das ein romantisches Märchen, das du hier unter den karibischen Sternen zusammenspinnst, eine Kleinmädchen-Phantasie von dem Traummann, dem du eines Tages begegnen wirst? Oder bekommst du wirklich ein Kind von einem miesen kleinen, einunddreißigjährigen Skiheini, der vor seiner Mama kuscht? Denn dann bist du bei mir an der richtigen Adresse.
    Gail war ein wenig älter gewesen, nicht viel. Der Kindsvater war in ihrem Fall kein Skiheini, sondern ein Schulabbrecher ohne einen Penny in der Tasche, dafür aber mitMigrationshintergrund und geschiedenen Eltern in Südafrika. Gails Mutter hatte sich drei Jahre zuvor auf Nimmerwiedersehen aus dem Schoß der Familie verabschiedet. Gails Säufer-Vater, weit entfernt davon, irgendjemandem Gewalt anzudrohen, starb im Krankenhaus an Leberversagen. Mit Geld, das ihr Freundinnen liehen, hat Gail das Kind dilettantisch abtreiben lassen und dem Jungen nie ein Wort davon gesagt.
    Und bis zum heutigen Tag hat es sich auch nie ergeben, dass sie es Perry erzählt. So wie es momentan zwischen ihnen steht, zweifelt sie, ob es noch dazu kommt.
    * * *
    Aus der ums Haar in Ollies Taxi verbliebenen Handtasche fischt Gail ihr Mobiltelefon und überprüft es auf neue Nachrichten. Nichts. Sie scrollt zurück. Natascha simst in theatralischen Großbuchstaben. Vier Nachrichten hat sie geschickt, über eine Woche verteilt:
    ICH HABE MEINEN VATER VERRATEN ICH BIN EINE SCHANDE
    GESTERN WIR HABEN MISCHA UND OLGA BEGRABEN IN SCHÖNER KIRCHE VIELLEICHT BIN ICH BALD BEI IHNEN
    BITTE SAGE MIR WANN IST ES NORMAL WENN ICH MORGENS BRECHE
    – gefolgt von Gails Antwort, die sie unter gesendeten Nachrichten gespeichert hat:
    Im Prinzip in den ersten 3 Monaten, aber wenn du dich krank fühlst, geh SOFORT zum Arzt, xxxx Gail
    WogegenNatascha sich gebührend verwahrt:
    BITTE SAG NICHT ICH BIN KRANK. LIEBE IST NICHT KRANKHEIT. NATASCHA
    * * *
    Wenn

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