Verr�ter wie wir
in zwei unordentlichen Wellen nach hinten geworfen war, erschien er Perry als der Prototyp des zerstreuten Professors. Er war Mitte fünfzig, schätzte Perry, aber auf Zeit und Ewigkeit angetan mit einem räudigen braunen Sportsakko mit Lederflicken auf den Ellbogen und lederverstärkten Manschetten. Die ausgebeulten grauen Flanellhosen hätten Perry gehören können. Die verschrammten Hushpuppies ebenso. Die uncharmante Hornbrille schien gar einem Karton auf dem Dachboden von Perrys Vater zu entstammen.
Schließlich, wenngleich verspätet, sprach Hector.
»Wilfred verdammich Owen«, verkündete er mit einer Stimme,die es fertigbrachte, dröhnend und andächtig zugleich zu sein. »Edmund verdammich Blunden. Siegfried verdammich Sassoon. Robert verdammich Graves. Und Konsorten.«
»Was ist mit ihnen?«, fragte der perplexe Perry, ohne sich Zeit zum Nachdenken zu lassen.
»Ihr abartig brillanter Artikel im London Review of Books letzten Herbst über die Dichter des Ersten Weltkriegs! › Das Selbstopfer tapferer Männer macht nicht aus Unrecht Recht. P. Makepiece scripsit .‹ Einsame Spitzenklasse!«
»Danke«, sagte Perry hilflos und kam sich wie ein Idiot vor, dass er nicht schnell genug geschaltet hatte.
Wieder trat Schweigen ein, während Hector sich in der Bewunderung seiner Trophäe erging.
»Ich kann Ihnen sagen, was Sie sind, Mr Perry Makepiece«, erklärte er in einem Ton, als wäre er nun zu dem Schluss gelangt, auf den sie beide gewartet hatten. »Sie sind ein gottverfluchter Held, das sind Sie« – er nahm Perrys Hand in einen laschen Doppelgriff und schüttelte sie schlaff –, »und das ist keine Bauchpinselei. Wir wissen, was Sie über uns denken. Einige von uns denken das Gleiche, und wir haben recht. Das Dumme ist nur, wen gibt es außer uns? Die Regierung kaspert sich einen ab, die halbe Beamtenschaft können Sie in der Pfeife rauchen. Das Außenministerium ist ein Schuss in den Ofen, das Land geht auf dem Zahnfleisch, und die Banker nehmen unser Geld und zeigen uns den Finger. Was sollen wir da machen? Heulend zur Mami laufen oder den Karren aus dem Dreck ziehen?« Und ohne Perrys Antwort abzuwarten: »Ich wette, Sie haben Blut und Wasser geschwitzt, bevor Sie zu uns gekommen sind. Aber gekommen sind Sie. Nur ein Spritzer« – er hatte Perrys Hand losgelassen und instruierte Luke in puncto Malt – »für Perry, ganz minimal. Viel Wasser und gerade so viel Hochprozentigen, dass er ein bisschen locker wird. Stört’s Sie, wenn ich mich gleich hierneben Luke setze, oder riecht Ihnen das zu sehr nach Tribunal? Scheiß übrigens auf Adam, ich heiße Meredith. Hector Meredith. Wir haben gestern telefoniert. Wohnung in Knightsbridge, Frau und zwei Kinder, beide inzwischen erwachsen, Strandhaus oben in Norfolk, und ich stehe hier wie dort im Telefonbuch. Luke, wer sind Sie , wenn Sie sich nicht gerade als wer anderes ausgeben?«
»Luke Weaver der Name. Wir wohnen ein Stück hinter Gail, auf dem Parliament Hill. Letzter Einsatz Mittelamerika. In zweiter Ehe verheiratet, ein gemeinsamer Sohn, zehn Jahre alt, der es übrigens gerade an die University College School in Hampstead geschafft hat, worauf wir natürlich stolz wie die Schneekönige sind.«
»Und keine harten Fragen bis zum Schluss«, ordnete Hector an.
Luke schenkte drei winzig kleine Schuss Whisky in die Gläser. Perry setzte sich zackig hin und wartete. Erstligist Hector saß ihm direkt gegenüber, Zweitligist Luke etwas weiter seitlich.
»Na dann, scheiß drauf«, sagte Hector fröhlich.
»Scheiß drauf, allerdings«, stimmte Perry benebelt zu.
* * *
In der Tat hätte Hectors Parole nicht besser getimt, sein enthusiastischer Auftritt nicht treffsicherer platziert sein können, um Perry aufleben zu lassen. In dem Dunkel des schwarzen Lochs, das Gails erzwungener Abgang gerissen hatte (erzwungen von keinem anderen als ihm, mochten die Gründe noch so gut sein), hatte sein gespaltenes Herz sich ergangen in einer Orgie von Selbsthass und Zerknirschung.
Er hätte niemals hierherkommen dürfen, weder mit noch ohne Gail.
Er hätte einfach sein Dokument übergeben und dazu sagensollen: »Da. Macht damit, was ihr wollt. Ich bin , also spioniere ich nicht.«
Zählte es denn überhaupt noch, dass er eine ganze lange Nacht hindurch in seiner Oxforder Wohnung auf und ab gelaufen war, immer hin und her auf dem fadenscheinigen Teppich, und mit diesem Schritt gehadert hatte, von dem er dennoch wusste, er würde ihn tun?
Zählte es, dass sein
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