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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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sie schwanger ist, braucht sie mich.
    Wenn sie doch nicht schwanger ist, braucht sie mich auch.
    Und wenn sie eine neurotische Halbwüchsige mit Suizidphantasien ist, braucht sie mich erst recht.
    Ich bin ihre Anwältin und ihre Vertraute.
    Ich bin alles, was sie hat.
    * * *
    Perrys Trennlinie ist gezogen.
    Sie ist nicht verhandelbar, unter keinen Bedingungen.
    Nicht einmal Tennis hilft mehr. Das indische Paar ist abgereist. Die Einzel sind zu geladen. Mark ist der Feind.
    Nur im Bett können sie das Trennende zeitweise vergessen. Aber danach ist es prompt wieder da.
    Abends nach dem Essen sitzen sie auf ihrem Balkon und sehen hinüber zu dem Bogen aus weißen Sicherheitslampen, der das Ende der Halbinsel überspannt. Gail, weil sie sich einen Blick auf die Mädchen erhofft – doch auf wen hofft Perry?
    Auf Dima, seinen Jay Gatsby? Dima, seinen Kurtz? Oder einen anderen versehrten Helden seines geliebten Joseph Conrad?
    Das Gefühl, belauscht und beobachtet zu werden, verlässt sie zu keiner Tages- oder Nachtzeit. Sogar wenn Perry sein selbstauferlegtes Schweigen brechen wollte: Die Angst vor dem Abgehörtwerden würde ihm den Mund verschließen.
    Anihrem vorletzten Tag steht er um sechs Uhr auf und geht laufen. Gail schläft aus, aber als sie sich schließlich zum Captain’s Deck aufmacht, um in Gottes Namen alleine zu frühstücken, berät dort Perry mit Ambrose über Mittel und Wege, den Abreisetermin vorzuziehen. Ambrose bedauert zutiefst, dass ihre Flüge nicht umbuchbar sind.
    »Ja, wenn die Herrschaften gestern losgewollt hätten! Da hätten Sie gleich zusammen mit Mr Dima und seiner Familie fahren können. Bloß dass die alle erster Klasse geflogen sind, und Sie sitzen in der guten alten Holzklasse. Nein, da werden Sie’s wohl noch einen Tag mehr auf unsrer Insel aushalten müssen.«
    Sie gaben sich redliche Mühe. Sie gingen in die Stadt und besichtigten alles, was es nur zu besichtigen gab. Perry dozierte über die Gräuel der Sklaverei. Sie fuhren an einen Strand auf der anderen Seite der Insel und schnorchelten, zwei Briten unter vielen, die mit so viel Sonne überfordert waren.
    Erst beim Abendessen auf dem Captain’s Deck platzte Gail schließlich der Kragen. Als hätte er über ihre Gespräche in der Hütte nie ein Embargo verhängt, wagte es Perry allen Ernstes, sie zu fragen, ob sie »rein zufällig« jemanden aus dem »Geheimdienst-Metier« kenne.
    »Wieso, für den arbeite ich doch«, gab sie zurück. »Hast du das immer noch nicht geschnallt?« Ihr Sarkasmus verpuffte wirkungslos.
    »Ich dachte nur, vielleicht hat jemand bei dir in der Kanzlei einen Draht dahin«, sagte Perry lahm.
    »Ach. Und wie kommst du darauf?« Gail spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg.
    »Na ja« – betont unschuldiges Achselzucken –, »ich dachte eben, bei so vielen Prozessen und öffentlichen Anfragen wegen dieser ganzen Thematik – Überstellung von Terrorverdächtigen, Folter, alles solches Zeug – müssten die Spionedoch eigentlich alle juristische Schützenhilfe brauchen, die sie kriegen können.«
    Das war zu viel. Mit einem heftigen »Du bist so ein Arschloch!« rannte sie den Weg zu ihrem Häuschen hinunter, wo sie in wildes Schluchzen ausbrach.
    Und ja, es tat ihr fürchterlich leid. Und ihm tat es auch fürchterlich leid. Er konnte es nicht fassen. Beide konnten sie es nicht fassen. Es ist ganz allein meine Schuld. Nein, meine. Fahren wir heim nach England und lassen diesen ganze Schlamassel hinter uns. Kurzzeitig wieder vereint, klammern sie sich aneinander wie Ertrinkende und lieben sich, als könnte das sie retten.
    * * *
    Sie steht wieder an dem schmalen Fenster und stiert böse auf die Straße hinunter. Kein einziges Scheißtaxi. Nicht mal ein falsches.
    »Saubande«, sagt sie laut mit der Stimme ihres Vaters. Und stumm – zu der Saubande oder auch zu sich selbst:
    Was zum Teufel macht ihr mit ihm?
    Was zum Teufel wollt ihr von ihm?
    Wozu sagt er nein, aber irgendwie doch ja, während er vor euch seinen moralischen Eiertanz vollführt?
    Wie würde es euch gefallen, wenn Dima sein Geständnis mir abgelegt hätte und nicht Perry? Wenn er sich statt eines Beichtvaters eine Beichtmutter gesucht hätte?
    Und wie fände Perry es wohl, hier zu warten wie bestellt und nicht abgeholt, bis ich mit einer neuen Ladung Geheimnisse ankomme, in die ich ihn zu seinem eigenen Besten leider, leider nicht einweihen darf?
    * * *
    »Bistdu das, Gail?«
    Gute Frage.
    Jemand hat ihr das Telefon in die Hand

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