Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
Vom Netzwerk:
gewichen, jetzt klingt Stolz daraus.
    »Für Kriminelle , Gefangene sind voll Respekt. Warum war ich in Kolyma? Weil ich Mörder war. Guter Mörder. Wen hab ich getötet? Drecks-Sowjet-Apparatschik in Perm. Unser Vater hat sich gemordet, war müde, viel Wodka immerzu. Muss unsere Mutter Drecks-Apparatschik ficken, damit wir Essen haben, Seife haben. In Perm, wir haben Gemeinschaftswohnung, acht verkackte Zimmer, dreißig Leute, ein verkackte Küche, ein Scheißhaus, alle stinken, alle rauchen. Die Kinder mögen nicht diesen Drecks-Apparatschik, der unsre Mutter fickt. Wir müssen raus in die Küche, sehr dünne Wand, wenn Apparatschik kommt, Essen bringt, Mutter fickt. Alle starren uns an, hörtihr eure Mutter, sie ist Hure. Wir müssen uns unsere gottverdammte Ohren zuhalten. Und willst du noch was wissen, Professor?«
    Immer.
    »Dieser Kerl, dieser Apparatschik, wo kriegt er sein Essen?«
    Perry weiß es nicht.
    »Ist bei der Drecks-Militärverwaltung. Gibt Essen aus in der Kaserne. Hat ein Revolver. Feiner schicker Revolver, Lederhalfter, großer Held. Hast du schon mal gefickt mit Revolvergürtel um dein Arsch? Musst du guter Akrobat sein. Dieser Militärverwalter, dieser Apparatschik, er zieht Schuhe aus. Er zieht sein schicken Revolver aus. Tut Revolver in Schuhe. Okay, denk ich. Vielleicht du hast meine Mutter genug gefickt. Vielleicht du fickst sie nie wieder. Vielleicht starrt uns bald keiner mehr an wie Nuttenkinder. Ich klopf an die Tür. Ich mach Türe auf. Ich bin höflich. ›Entschuldigung‹, sag ich. ›Ich bin’s, Dima. Entschuldigung, Herr Drecks-Apparatschik. Kann ich bitte dein schicken Revolver ausborgen? Schaust du mir in mein Gesicht, bitte. Wenn du nicht schaust, wie soll ich dich töten? Danke sehr.‹ Meine Mutter schaut auf mich. Sie sagt nichts. Apparatschik schaut auf mich. Ich töte den Dreckskerl. Eine Kugel.«
    Dima legt den Zeigefinger an den Nasenrücken, um zu zeigen, wo sie eingedrungen ist. Perry sieht diesen selben Zeigefinger vor sich, wie er während des Tennisspiels auf den Nasen seiner Söhne lag.
    »Warum ich töte diesen Apparatschik?«, fragt Dima rhetorisch. »War Liebe für mein Mutter , die ihre Kinder beschützt. War Liebe für mein verrückter Vater , der sich gemordet hat. War zu Ehre von Russland ich töte den Dreckskerl. Dass nicht alle mehr starren im Hausflur, deshalb. Darum in Kolyma, ich bin willkommen. Ich bin krutoi – ein Guter, keine Probleme, alles okay. Ich bin rein , guterrussischer Junge. Ich bin kein Politischer . Ich bin Krimineller. Ich bin Held , ich bin Kämpfer . Ich habe Militär-Apparatschik getötet, vielleicht sogar Tschekist . Warum krieg ich sonst fünfzehn? Ich habe Ehre . Ich bin nicht …«
    * * *
    An diesem Punkt seiner Geschichte geriet Perry ins Stocken, und sein Ton wurde unsicher:
    »Ich bin nicht Specht . Ich bin nicht Hund , Professor«, zitierte er zweifelnd.
    »Er meint Informant«, erläuterte Hector. »Specht, Hund, Henne: Suchen Sie’s sich aus. Alles Synonyme für Informant. Er versucht Ihnen weiszumachen, dass er keiner ist, dabei ist er genau das.«
    Mit einem Nicken als Tribut an Hectors höhere Einsicht nahm Perry den Faden wieder auf.
    * * *
    »Eines Tages, nach drei Jahre, wird dieser gute Junge Dima Mann . Wie wird er Mann? Mein Freund Nikita macht ihn Mann . Wer ist Nikita? Nikita hat auch Ehre, auch guter Kämpfer, großer Krimineller. Er wird Vater für diesen guten Jungen Dima. Er wird Bruder für ihn. Er wird Dima beschützen . Wird Dima lieben . Mit reiner Liebe. Eines Tages, ein sehr guter, stolzer Tag für mich, Nikita bringt mich zu Wory . Kennst du Wory , Professor? Kennst du Wor ?«
    Ja, Perry kennt Wory . Und Wor kennt er auch. Er hat seinen Solschenizyn gelesen, er hat seinen Schalamow gelesen. Er weiß, dass als Wory diejenigen Gefangenen bezeichnet werden, die im Gulag Recht sprechen und Recht durchsetzen, eine Bruderschaft von Ehrenkriminellen, eingeschworen auf einen strikten Verhaltenskodex, hinter demEhe, Eigentum und Staatsdienerschaft zurückstehen müssen. Und er weiß, dass die Wory Mysterien lieben und sich gern mit dem Nimbus des Priesterlichen umgeben und dass die Einzahl von Wory Wor ist. Und dass die Wory stolz darauf sind, »Diebe im Gesetz« zu sein, eine Elite, die haushoch über dem Straßengesindel steht, das in seinem ganzen Leben kein Gesetz gekannt hat.
    »Mein Nikita spricht vor sehr großem Wory-Komitee. Viel große Kriminelle sind bei diesem Treffen, viel gute Kämpfer. Er

Weitere Kostenlose Bücher