Verr�ter wie wir
Vogelaugen sahen Perry durchdringend an. »Dass wir Apparatschiks sind?«
»Möglich«, räumte Perry auch jetzt wieder ein.
Hector wandte sich Luke zu, der unverändert zackig neben ihm saß. »Luke, alter Junge, hatten Sie nicht einen Termin? Dann sollten wir Sie nicht noch länger aufhalten.«
»Stimmt«, sagte Luke, warf Perry ein knappes Abschiedslächeln zu und verließ folgsam den Raum.
* * *
Der Malt kam von der Isle of Skye. Hector schenkte ihnen beiden großzügig ein und ließ Perry beim Wasser freie Hand.
»Also dann«, verkündete er. »Zeit für die harten Bandagen. Sind Sie bereit?«
Hatte er eine Wahl?
»Wir haben hier eine Unstimmigkeit. Und zwar eine gewaltige.«
»Mir ist nichts aufgefallen.«
»Aber mir. Etwas, was in Ihrem Einser-Aufsatz nicht steht und was Sie bisher auch bei Ihrem ansonsten erstklassigen Mündlichen unterschlagen haben. Soll ich es aussprechen, oder möchten Sie es?«
Perryzuckte die Achseln, sichtlich verlegen. »Machen Sie’s ruhig.«
»Gern. Sie verschweigen in beiden Darstellungen einen zentralen Punkt in Dimas Forderungen und Bedingungen, so wie sie uns in dem Päckchen übermittelt wurden, das Sie so findig in Ihrem Rasierzeug oder, wie wir älteren Semester das gerne nennen, Ihrem Kulturbeutel durch den Zoll in Gatwick geschmuggelt haben. Dima besteht darauf – und zwar nicht ein bisschen , wie Sie uns glauben machen wollen, sondern als conditio sine qua non , und nicht nur er , sondern auch Tamara , was wahrscheinlich sogar noch schwerer wiegt –, sie beide bestehen darauf, dass Sie, Perry, bei sämtlichen Verhandlungen zugegen sind und dass diese Verhandlungen Ihretwegen auf Englisch stattfinden. Oder kam diese Bedingung in seinen Ausführungen am Ende gar nicht vor?«
»Doch.«
»Aber das haben Sie sicherheitshalber für sich behalten?«
»Ja.«
»Könnte das rein zufällig damit zu tun haben, dass Dima und Tamara nicht nur die Anwesenheit von Professor Makepiece zur Bedingung machen, sondern auch die einer Dame, die sie liebevoll Madame Gail Perkins nennen?«
»Nein!« – die Stimme stählern, das Kinn vorgereckt.
» Nein? Was nein? Nein, Sie haben diese Bedingung nicht unilateral aus Ihrem schriftlichen wie auch aus Ihrem mündlichen Bericht herauszensiert?«
Perrys Antwort erfolgte mit solcher Vehemenz und Gezieltheit, dass klar war, dass er sie schon länger parat haben musste. Aber erst schloss er die Augen, wie um Zwiesprache mit seinen inneren Dämonen zu halten. »Ich mache mit – um Dima zu helfen. Und vielleicht sogar, um Ihnen zu helfen. Aber ich mache es allein oder gar nicht.«
»Obwohlja Dima in denselben weitschweifigen Auslassungen an unsere Adresse«, fuhr Hector in einem Ton fort, als hätte Perry seine dramatische Erklärung nie abgegeben, »auch noch von einem Treffen in Paris spricht, das für kommenden Juni anberaumt ist. Für den siebten, um genau zu sein. Ein Treffen nicht mit uns verhassten Apparatschiks, sondern mit Ihnen und Gail, was uns ein bisschen sonderbar vorkam. Können Sie dazu etwas sagen, rein zufällig?«
Perry konnte es entweder nicht, oder er wollte es nicht. Er stierte düster in das Halbdunkel, eine lange Hand zu einer Art Maulkorb vor den Mund gewölbt.
»Er scheint ein Stelldichein vorzuschlagen«, redete Hector weiter. »Oder genauer gesagt, sich auf eins zu beziehen, das er bereits vorgeschlagen hat und dem Sie allem Anschein nach zugestimmt haben. Wo mag wohl der Treffpunkt sein, frage ich mich? Schlag Mitternacht unterm Eiffelturm, mit dem gestrigen Figaro unterm Arm?«
»So ein Blödsinn!«
»Wo dann?«
Mit einem unterdrückten »Ach, verdammt« fuhr Perry mit der Hand in die Innentasche seines Sakkos, zog ein blaues Kuvert hervor und knallte es auf den ovalen Tisch. Es war unverschlossen. Hector nahm es, bog mit seinen dünnen weißen Fingerspitzen vorsichtig die Klappe auf, fischte zwei bedruckte blaue Kärtchen heraus und faltete sie auseinander. Dann ein weißes Blatt Papier, ebenfalls gefaltet.
»Und das sind Tickets wo für?«, erkundigte er sich nach ausgedehnter Inspektion, die ihm die Antwort nach normalen Maßstäben längst hätte liefern müssen.
»Können Sie nicht lesen? French Open, Herrenfinale. Roland-Garros-Stadion, Paris.«
»Und daran sind Sie wie gekommen?«
»Alsich unsere Hotelrechnung beglichen habe. Gail war beim Packen. Ambrose hat sie mir überreicht.«
»Zusammen mit diesem netten Briefchen von Tamara?«
»Richtig. Zusammen mit diesem netten Briefchen von
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