Verr�ter wie wir
Leitung.«
»Keine anderen? Ganz sicher?«
»Keine anderen. Versprochen.«
»Nicht mal, wenn ich mit meinen fünf heimlichen Liebhabern flirte?«
»Nicht mal dann, leider Gottes.«
»Was ist mit unseren privaten SMS ?«
»Um Himmels willen. Das bringt nichts und nervt nur.«
»Aber wenn unsere gespeicherten Verbindungen untereinander sowieso verschlüsselt sind, wozu brauchen wir dann diese komischen Namen?«
»Weil die Leute im Bus auch Ohren haben. Noch irgendwelche weiteren Fragen der Anklage? Ollie, wo bleibt der verdammte Malt?«
»Kommt sofort, Skipper. Ich hab uns sogar schon die nächste Flasche besorgt« – immer mit dieser aufreizend ortlosen Stimme.
* * *
»UndIhre Familie, Luke?«, hatte Gail ihn eines Abends vor dem Heimgehen bei Suppe und einer Flasche Rotwein in der Küche gefragt.
Es verblüffte sie, dass sie die Frage nicht längst einmal gestellt hatte. Vielleicht – unschöner Gedanke – hatte sie keine Lust dazu gehabt, es vorgezogen, ihn zappeln zu sehen. Es verblüffte offenbar auch Luke, denn seine Hand schnellte hoch zu seiner Stirn, um eine kleine, blasse Narbe zu begütigen, die aus eigenem Antrieb zu kommen und wieder zu verschwinden schien. Die Pistolenmündung eines Spionskollegen? Oder die Bratpfanne einer wütenden Ehefrau?
»Nur ein Kind, fürchte ich, Gail«, sagte er, als müsste er sich dafür entschuldigen, dass es nicht mehr waren. »Ein Junge. Phantastischer kleiner Bursche. Ben, so heißt er. Hat mir alles beigebracht, was ich vom Leben weiß. Und im Schach schlägt er mich auch, der Racker. Ja.« Ein Zucken des ungebärdigen Augenlids. »Das Problem ist nur, wir kriegen unsere Partien nie fertig. Zu viel hier von.«
Hier von? Meinte er den Alkohol? Das Spionieren? Oder die Liebe?
Sie hatte ihn kurz verdächtigt, etwas mit Yvonne zu haben, hauptsächlich wegen Yvonnes diskret bemutternder Art gegen ihn. Dann entschied sie, dass die beiden einfach nur ein Mann und eine Frau waren, die eng zusammenarbeiteten, bis sie ihn eines Abends dabei ertappte, wie er bald sie, bald Yvonne anstarrte, als wären sie zwei höhere Wesen, und sie dachte, dass sie in ihrem ganzen Leben kein so trauriges Gesicht gesehen hatte.
* * *
Es ist der letzte Abend. Ende des Schuljahrs. Ende der Schulzeit überhaupt. Nie wieder wird es zwei solche Wochen geben. In der Küche bereiten Yvonne und Ollie einenWolfsbarsch in Salzkruste zu. Ollie singt La Traviata , gar nicht so schlecht, und Luke übt sich in Wertschätzung – strahlt alle an und schüttelt übertrieben bewundernd den Kopf. Hector hat eine Magnumflasche Meursault spendiert; zwei, um genau zu sein. Aber erst einmal bittet er Perry und Gail zu sich in den chintzbezogenen Salon des Schuldirektors. Setzen wir uns, oder stehen wir? Hector bleibt stehen, also bleibt Perry, unverbesserlicher Formalist, der er ist, ebenfalls stehen. Gail wählt einen Stuhl unter einer Roberts-Lithographie von Damaskus.
»So«, sagt Hector.
So, stimmen sie zu.
»Letzte Worte also. Ohne Zeugen. Unser Job ist gefährlich. Das hab ich Ihnen schon gesagt, aber ich sag’s Ihnen noch mal. Er ist sogar scheißgefährlich. Sie können immer noch abspringen, und keiner verübelt es Ihnen. Wenn Sie an Bord bleiben, päppeln wir Sie nach Kräften, aber wir haben keinen Fatz an brauchbarer logistischer Unterstützung für Sie. Wir sind barfuß unterwegs, wie wir das nennen. Sie brauchen sich nicht groß zu verabschieden. Lassen Sie Ollies Fisch Fisch sein, holen Sie Ihre Jacken aus der Garderobe, gehen Sie zur Haustür hinaus, und das alles ist nie passiert. Letzter Aufruf.«
Er ahnt nicht, der letzte von wie vielen. Perry und Gail haben die Frage in jeder einzelnen der vergangenen vierzehn Nächte durchdiskutiert. Es war Perry ein Anliegen, dass Gail für sie beide antwortet, also sagt sie nun:
»Von uns aus geht das klar. Unser Entschluss steht. Wir machen es.« Es klingt heldischer als beabsichtigt, und Perry nickt langsam und gewichtig und sagt: »Hundertpro«, was genauso wenig nach ihm klingt – wie ihm selbst bewusst zu sein scheint, denn er gibt Hectors Frage prompt an ihn zurück:
»Was ist denn mit euereins?«, will er wissen. »Packen euch zwischendurch nicht auch Zweifel?«
»Ach,wir sind eh am Arsch«, erwidert Hector leichthin. »Aber genau darum geht’s doch, oder? Wenn schon am Arsch, dann im Dienst einer guten Sache.«
Was für Perrys Puritanerseele natürlich Balsam ist.
* * *
Und so wie Perry dreinschaute, als sie in die Gare du
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