Verr�ter wie wir
Spiel beginnt, so dass sie mit genügend Vorlauf zum Stadion kommen und in Ruhe ihre Plätze suchen können.
Sie lösen es so, dass sie sich an dem winzigen Waschbeckenabwechseln und dann, als sie angezogen sind, in Perrys Tempo zum Musée Rodin marschieren, sich da einem Pulk von Schulkindern anschließen, es genau rechtzeitig in den Museumsgarten schaffen, um draußen nassgeregnet zu werden, unter den Bäumen vor dem Regen Schutz suchen, dann doch ins Museumscafé flüchten und von dort durch die Tür ins Freie spähen, um festzustellen, in welche Richtung die Wolken ziehen.
Nachdem sie ihren Kaffee stehenlassen haben (einvernehmlich, aber ohne zu wissen, warum), beschließen sie einen Abstecher in die Jardins des Champs-Élysées, doch die sind aus Sicherheitsgründen geschlossen. Michelle Obama und ihre Kinder sind in der Stadt, hat Madame Mère ihnen erzählt, aber das ist ein Staatsgeheimnis, darum wissen es nur Madame Mère und das ganze restliche Paris.
Dafür erweist sich der Garten des Marigny-Theaters als geöffnet, leer bis auf zwei ältliche Araber in schwarzen Anzügen und weißen Schuhen. Doolittle sucht eine Bank aus, Milton heißt ihre Wahl gut. Doolittle starrt in die Kastanien, Milton in seinen Stadtplan.
Perry kennt sein Paris und hat selbstredend genauestens ausgetüftelt, wie sie zum Roland-Garros-Stadion gelangen – Metro bis da und da, Bus bis dort und dort, mit einem dicken Zeitpolster, damit sie auch ja pünktlich sind.
Dennoch tut er natürlich recht daran, seine Nase in einen Stadtplan zu stecken, denn was soll man sonst tun, wenn man ein Liebespaar auf Paris-Urlaub ist und sich wie zwei Idioten auf einer Parkbank nassregnen lässt?
»Alles im grünen Bereich, Doolittle? Keine kleinen Probleme, die wir für Sie lösen können?« Luke, diesmal direkt an Gail, und sie muss an den Onkel Doktor aus ihrer Mädchenzeit denken, den Hausarzt der Familie Perkins: Halskratzen, Gail? Dann machen wir uns doch mal frei und gucken nach.
» KeineProbleme, nichts, was Sie für uns tun könnten, danke sehr«, erwidert sie knapp. »In einer halben Stunde geht’s los, sagt Milton.« Und meinem Hals fehlt auch nichts, tut mir leid .
Perry faltet seinen Stadtplan zusammen. Lukes Anruf ärgert Gail, sie fühlt sich entblößt. Ihr Mund ist ganz trocken, sie saugt die Lippen an, befeuchtet sie von innen. Wie schwachsinnig soll das hier noch werden? Sie treten wieder hinaus auf das leere Trottoir und gehen hinauf in Richtung Arc de Triomphe, Perry mit langen Schritten vorneweg, wie es seine Art ist, wenn er allein sein möchte, es aber nicht darf.
»Hast du sie noch alle?«, zischt sie ihm ins Ohr.
Er hat sich in eine muffige Einkaufspassage verdrückt, aus der plärrende Rockmusik schallt. Er starrt in ein abgedunkeltes Schaufenster, als offenbarte sich ihm dort seine gesamte Zukunft. Spielt er Spion? – und verstößt dabei ganz nebenbei gegen Hectors Gebot, ja nicht nach eingebildeten Verfolgern Ausschau zu halten.
Nein. Er lacht. Und gleich darauf lacht Gail auch, Gott sei Dank; eng umschlungen stehen sie da und blicken ungläubig auf ein wahrhaftes Arsenal an Spionage-Spielzeug: Markenarmbanduhren mit integriertem Photoapparat zum Spottpreis von zehntausend Euro, Mikrophonsets für die Aktentasche, Scrambler, Nachtsichtgeräte, Elektroschocker in ihrer ganzen glorreichen Vielfalt, Pistolenhalfter mit rutschsicherem Schenkelriemen als optionales Extra und Kugeln aus Pfeffer, Farbe oder Gummi als Mix zum Selber-Zusammenstellen: willkommen in Ollies schwarzem Museum für den paranoiden Manager, der sich erst eindecken muss.
* * *
KeinBus hatte sie hierhergebracht.
Keine Fahrt mit der Metro lag hinter ihnen.
Kein Mitfahrgast, der alt genug war, um Gails Großvater zu sein, hatte sie beim Aussteigen in den Hintern gezwickt.
Nein, Flügel hatten sie hergetragen, und so kam es, dass sie nun exakt zwölf Minuten vor der von Tamara anberaumten Zeit in einer Schlange gesitteter französischer Bürger links vom Westeingang des Roland-Garros-Stadions anstanden.
Und so kam es auch, dass Gail sich schwerelos an gütigen uniformierten Türstehern vorbeilächelte, die freudig zurücklächelten, und sich dann mit all den anderen zum Humpa-humpa einer unsichtbaren Blaskapelle, dem Muhen von Alphörnern und den unverständlichen Anweisungen männlicher Lautsprecherstimmen eine Straße von Zeltständen entlangtreiben ließ.
Aber es war die klardenkende Anwältin Gail Perkins, die die Sponsorennamen an den
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