Verruchte Lady
Pfennig Geld in der Tasche. Ich war ruiniert, nachdem Wylde mein Schiff versenkt hatte. Alles, was ich besaß, hatte in diesem Schiff gesteckt. Ich habe endlos lange gebraucht, bis ich genug Geld zusammen hatte, um nach England zurückkehren zu können.«
Phoebe starrte ihn an. »Neil, ich weiß nicht, was ich sagen oder was ich glauben soll. Das ergibt alles keinen Sinn. Man hat mir erzählt, daß mein Vater dir Geld gegeben hat, damit du England verläßt.«
»Wir beide wissen, daß dein Vater nicht sonderlich erfreut war, als er von unserer Freundschaft erfuhr«, erinnerte Neil sie
leise.
»Ja, aber er hat dich bezahlt, damit du dich von mir fernhältst? Das ist es, was ich von dir wissen will.«
Neil lächelte grimmig. »Ein anonymer Gönner hat für meine Überfahrt in die Südsee bezahlt. Ich habe niemals erfahren, wer es war. Ich nahm an, ein alter Freund sei mir zu Hilfe gekommen. Jemand, der wußte, daß ich mein Glück machen mußte, um deiner würdig zu sein. Natürlich habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt.«
Phoebe war schwindlig, jedoch nicht von den gemessenen Walzerschritten. Sie versuchte verzweifelt, das, was sie da hörte, zu verarbeiten. »Ich verstehe das Ganze nicht, Neil.«
»Nein, meine Liebste, das ist mir klar. Aber ich verstehe es dafür nur allzu gut. Wylde ist nach acht Jahren mit der Beute von seinen Plünderungen nach England zurückgekehrt und hat sich hier als ehrenwertes Mitglied der besseren Gesellschaft niedergelassen.«
»Er war kein Pirat«, beharrte Phoebe auf ihrer Meinung. »Ich kenne ihn inzwischen zu gut, um das zu glauben.«
»Du kennst ihn nicht so gut, wie ich ihn kenne«, sagte Neil leise. »Er hat mir die einzige Frau genommen, die ich jemals heiraten wollte.«
»Es tut mir leid, Neil, aber du weißt so gut wie ich, daß ich dich niemals geheiratet hätte. Das habe ich dir bereits vor Jahren gesagt.«
»Ich hätte dich dazu bringen können, mich zu lieben. Keine Angst. Ich bin dir nicht böse. Diese Ehe mit Wylde ist nicht deine Schuld. Man hat dich schließlich dazu gebracht zu glauben, ich sei tot.«
»Ja.« Es schien zwecklos zu sein, ihn darüber aufzuklären, daß sie, auch wenn sie gedacht hätte, daß er lebt, nicht auf ihn gewartet hätte. Sie hatte niemals die Absicht gehabt, ihn zu heiraten, und sie hatte immer versucht, ihm das klarzumachen. Sie hatte Neil als Freund gewollt, nicht als Liebhaber oder Ehemann.
»Als der Pirat, der er nun einmal ist, hat Wylde mir alles genommen, was mir wichtig war. Mein Schiff, die Frau, die ich liebe und das eine Erinnerungsstück, das mir wichtiger war als alles andere.«
Phoebe riß alarmiert die Augen auf. »Erinnerungsstück?«
»Er hat das Buch an sich genommen, das du mir gegeben hattest, Liebste. Ich habe gesehen, wie er es stahl, als er mein Schiff kaperte. Er hat sämtliche Wertsachen aus meiner Kabine mitgenommen und dabei Die Lady im Turm entdeckt. Als ich versuchte, ihm das Buch zu entreißen, hätte er mich beinahe getötet. Der Verlust des Buches hat mich mehr geschmerzt, als ich sagen kann. Es war alles, was ich von dir hatte.«
Das nagende Schuldgefühl, das Phoebe plagte, wurde stärker. »Neil, ich bin völlig durcheinander.«
»Das verstehe ich, meine Liebe. Man hat dir so viele Lügen erzählt, daß du nicht mehr weißt, was du glauben sollst. Ich bitte dich nur darum, nicht zu vergessen, was wir einander einmal bedeutet haben.«
Phoebe kam ein entsetzlicher Gedanke. »Was wirst du jetzt tun, Neil? Wirst du versuchen, Wylde ins Gefängnis zu bringen? Wenn du das vorhast, muß ich dir sagen -«
»Nein, Phoebe, ich werde nicht versuchen, Wylde seiner gerechten Strafe zuzuführen, und zwar aus dem einfachen Grund, daß ich ihm nichts nachweisen kann. Das alles ist Tausende von Meilen von hier passiert, und er und ich sind die einzigen, die die Wahrheit kennen. Es stünde also mein Wort gegen seins. Und er ist inzwischen ein Graf. Außerdem ist er reich wie Krösus, und ich bin praktisch vollkommen mittellos. Wem würde das Gericht also deiner Meinung nach glauben?«
»Ich verstehe.« Phoebe seufzte erleichtert auf. Also mußte sie sich zumindest darüber im Augenblick keine Sorgen machen.
»Phoebe?«
»Ja, Neil?«
»Ich weiß, daß du in dieser Ehe gefangen bist.«
»Als Gefangenschaft würde ich es nicht unbedingt bezeichnen«, murmelte sie.
»Eine Frau ist wehrlos dem Willen ihres Mannes unterworfen. Und ich bedaure jede Frau, die Wylde ausgeliefert ist. Du bist mir sehr
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