Verruchte Lady
Vermögen in der Südsee durch Piraterie statt durch rechtschaffene Arbeit erworben haben könnte.«
»Wie können sie es wagen?« tobte Phoebe und sprang von ihrem Stuhl auf. »Ich werde sofort hingehen und sie zur Rede stellen.«
»Also bitte.« Lydia ließ ihr Opernglas sinken und sah Phoebe mißbilligend an. »Setz dich, Mädchen. Du wirst nirgendwo hingehen.«
Meredith bedachte ihre Schwester ebenfalls mit einem mahnenden Blick. »Mutter hat vollkommen recht. Setz dich sofort
wieder hin. Willst du etwa, daß alle Leute in unsere Loge starren und sich fragen, was hier los ist?«
Zögernd nahm Phoebe wieder Platz. »Wir müssen etwas tun. Ich kann nicht einfach dastehen und zuhören, wie die Leute derartige Vermutungen über Wylde anstellen.«
»Du erreichst gar nichts, wenn du versuchst, den Klatschmäulern auf diese Weise das Maul zu stopfen«, sagte Lydia ernst.
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?« schnauzte Phoebe.
Lydia lächelte in fröhlicher Erwartung einer interessanten Schlacht. »Natürlich warten wir ab, bis die Leute zu uns kommen.«
Phoebe blinzelte. »Wie bitte?«
»Mama hat vollkommen recht«, sagte Meredith leise. »Es ist immer besser, wenn man auf dem eigenen Terrain kämpft.«
Phoebe blickte hilflos zu Anthony hinüber. »Weißt du, wovon die beiden sprechen?«
Anthony grinste vergnügt. »Nein, aber ich habe den größten Respekt vor Mama und Meredith, wenn es um solche Dinge geht.«
Lydia nickte zufrieden. »Ich bezweifle, daß wir lange warten müssen.« Sie setzte ihr Opernglas wieder an ihre Augen. »Ah, ja. Lady Rantley verläßt gerade ihre Loge. Ich wette, sie ist auf dem Weg hierher.«
»Glaubst du, daß sie so unverschämt ist und einfach unhöfliche Fragen über Wyldes Vergangenheit stellt?« fragte Phoebe.
»Das halte ich für sehr wahrscheinlich. Schließlich war es ja ihr Mann, der mit seinen Freunden über die Sache gesprochen hat.« Lydia dachte nach. »Das Interessante an Eugenie ist, daß sie die gesamten finanziellen Dinge der Familie regelt. Rantley befolgt immer nur ihre Anweisungen. Denk dran, wenn sie hier ist, ja?«
»Ja, Mama«, sagte Meredith.
Anthony grinste. »Ich verstehe.«
»Hervorragend.« Lydia machte eine Pause »Ich frage mich, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat.«
»Zweifellos Baxter«, sagte Anthony. »Wylde muß wirklich etwas gegen ihn unternehmen. Dieser Mann ist eine echte Plage. Wylde sagt, daß er eine unglaubliche Wirkung auf Frauen hat. Anscheinend ist selbst seine ehemalige Verlobte Baxters Charme erlegen.«
Phoebe starrte ihren Bruder an. »Was für eine ehemalige Verlobte?«
Anthony zuckte zusammen. »Tut mir leid. Ich hätte nicht davon anfangen sollen. Die ganze Sache liegt lange zurück. Die Frau ist inzwischen mit jemand anderem verheiratet.«
»Was für eine ehemalige Verlobte?« wiederholte Phoebe grimmig.
»Irgendeine Frau, mit der er in der Südsee eine Zeitlang verlobt war«, sagte Anthony in besänftigendem Ton. »Wylde hat sie nur flüchtig erwähnt. Es war nichts von Bedeutung.«
Phoebes Magen zog sich schmerzhaft zusammen. »Nichts von Bedeutung«, wiederholte sie mit gepreßter Stimme. »Heute nachmittag muß ich feststellen, daß Wylde auf der Suche nach einer Frau ist, der ein Bordell gehört, und heute abend erfahre ich, daß er schon einmal mit einer anderen Frau verlobt war. Mit einer Frau, von der er nie auch nur einen Ton gesagt hat.«
»Es gibt zwei Arten von Männern auf der Welt, Phoebe.« Lydia spähte weiter durch ihr Opernglas. »Die, die unentwegt über ihre Vergangenheit sprechen, und die, die dieses Thema so gut wie nie erwähnen. Sei dankbar, daß du einen der zweiten Sorte hast. Die anderen werden mit der Zeit unglaublich langweilig.«
»Trotzdem«, murmelte Phoebe. »Es ist ziemlich unangenehm, zu erfahren, daß mein Mann noch vor kurzem mit einer anderen Frau verlobt war.«
»Nun, es ist schon etwas länger her«, warf Anthony ein. »Die
Verlobung endete bereits vor ungefähr einem Jahr. Sofort, nachdem Wylde dahinterkam, daß seine Verlobte Baxter Informationen über die Auslaufdaten und die Fracht seiner Schiffe weitergab.«
»Oh, mein Gott«, sagte Phoebe. »Wie war sie?«
»Die Verlobte?« Anthony zuckte mit den Schultern. »Er hat sie nicht näher beschrieben. Ich nehme an, sie war recht naiv und nicht sonderlich loyal. Offenbar hatte Baxter nicht die geringsten Schwierigkeiten, sie zu verführen.«
Phoebe seufzte. Anscheinend brauchte sie sich nur umzudrehen,
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