Verruchte Lady
bewußtlos geschlagen?«
»Nein, ich habe ihn gefragt, ob er Lust hat, mit mir eine Runde Karten zu spielen«, entgegnete Gabriel mit einer Stimme, die ihr verriet, daß er am Ende seiner Geduld angelangt war. »Wo in aller Welt hatte ich denn wohl bitte den Schlüssel zu deinem Zimmer her? Beeil dich, Phoebe.«
Phoebe beeilte sich.
Fünf Minuten später saßen sie sicher in einer Mietkutsche. Stinton saß auf dem Kutschbock und knallte mit den Zügeln. Den ganzen Rückweg über sagte Gabriel kein einziges Wort.
Als sie das Stadthaus erreichten, zerrte Phoebe die blonde Perücke vom Kopf. Sein Blick war unergründlich.
»Du gehst direkt in dein Schlafzimmer«, befahl er. »Ich komme gleich nach. Ich muß erst noch mit Stinton sprechen, und dann habe ich ein paar Dinge mit dir zu klären.«
Kapitel 21
Gabriel stand auf den Stufen vor seinem Stadthaus und erteilte Stinton neue Anweisungen. »Versuchen Sie, Baxter zu finden. Und wenn Sie ihn finden, bleiben Sie in seiner Nähe, ohne daß er es merkt. Was auch immer Sie tun, Sie dürfen ihn unter keinen Umständen verlieren.«
»Verstanden, M’lord. Ich werde mein möglichstes tun.« Stinton, der immer noch auf dem Kutschbock hockte, tippte sich respektvoll an den Hut. »Ich bin wirklich froh, daß die gnädige Frau in Sicherheit is’. Sie hat echten Mumm in den Knochen, wenn ich so sagen darf.«
Gabriel zuckte zusammen, aber er hielt sich zurück und tadelte Stinton nicht. Dafür war jetzt keine Zeit. »Ich werde ihr sagen, daß Sie ihren Mut bewundern«, entgegnete er trocken.
»Ja, Sir, echten Mumm. Wie gesagt. Ich hab’ noch nich’ viele Ladys von ihrem Format getroffen.« Stinton schnalzte leicht mit den Zügeln, und die Kutsche setzte sich in Bewegung.
Gabriel ging ins Haus, schloß die Tür und nahm zwei Stufen auf einmal, als er die Treppe ins obere Stockwerk hinauflief. In seinem Kopf schwirrten tausend verschiedene Gedanken, und sein Körper war immer noch vollkommen angespannt. Er eilte den Flur hinab bis zu Phoebes Schlafzimmer, wo er, den Türknauf in der Hand, stehenblieb. Er merkte, daß er nicht genau wußte, was er ihr sagen sollte.
Sie hatte sich für ihn entschieden.
Niemals würde er den Augenblick vergessen, in dem Phoebe an den zusammengeknoteten Bettlaken hing und zwischen zwei Männern wählen mußte.
Sie hatte sich für ihn entschieden.
Diese Erkenntnis durchfuhr ihn wie ein heißer Schauer. Er hatte ihr niemals gesagt, daß er sie liebte, oder gar zugegeben, daß er ihr vertraute. Und trotzdem hatte sie ihn gewählt, hatte sie ihm vertraut, und nicht ihrem goldhaarigen Lancelot.
Gabriel drehte den Knauf, öffnete die Tür und betrat leise das Zimmer. Er blieb abrupt stehen, als er Phoebe vor ihrem Ankleidespiegel entdeckte. Sie bewunderte sich in dem auffälligen, leuchtendroten Kleid, das er einer Hure abgekauft hatte.
»Gabriel, vielen, vielen Dank für dieses Kleid. Ich wußte schon immer, daß Rot mir stehen würde, obwohl Meredith behauptet, es sähe furchtbar an mir aus.« Als Phoebe zu ihm herumwirbelte, leuchteten ihre Augen vor lauter Begeisterung. »Ich kann es kaum erwarten, es auf einer Soiree zu tragen. Keine der anderen Frauen wird ein solches Kleid anhaben.«
»Ich nehme an, da hast du recht.« Gabriel lächelte leicht, als er das Kleid etwas genauer betrachtete. Das Rot des billigen, glänzenden Materials war so leuchtend, daß es den ganzen Raum zum Erstrahlen brachte. Der langettierte Saum war mit dicken Rüschen besetzt, die viel zuviel von Phoebes Beinen zeigten.
Riesige schwarze Spitzenblumen, die kaum ihre Brustwarzen verdeckten, verzierten das aufreizend tief ausgeschnittene Decollete.
»Ich frage mich, ob die rothaarige Frau aus der Samthölle mir wohl den Namen ihrer Schneiderin verraten würde«, sagte Phoebe nachdenklich. Sie wandte sich erneut dem Spiegel zu, um die engen Ärmel ihres Kleides zurechtzuzupfen.
»Das werden wir niemals herausfinden, da du bestimmt nicht dorthin zurückgehen wirst, um sie zu fragen.« Gabriel streckte die Hände aus, packte Phoebe bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. »Phoebe, erzähl mir alles, was heute abend passiert ist. Ich weiß, daß es Alice war, die dich entführen ließ. Was hat sie zu dir gesagt?«
Phoebe zögerte. »Sie wollte dich erpressen.«
»Sie wollte Geld?«
»Nein. Sie will Die Lady im Turm .«
»Großer Gott, warum denn das?« fragte Gabriel.
»Weil Neil das Buch will und sie alles tut, um sich an ihm zu rächen. Weißt du, er
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