Verruchte Lady
der Suche nach Baxters Mörder zu helfen, aber auf jeden Fall wollte er sie. Er gestand sich ein, daß ihre leichtsinnige, wagemutige Art ihn zugleich faszinierte und abstieß. Vielleicht war es sein Schicksal als Liebhaber alter Legenden, daß er sich von einer Frau angezogen fühlte, die einen Wagemut besaß, der bei Frauen selten und auch gefährlich war. Ein Troubadour hätte gewiß eine höchst interessante Legende über die verschleierte Lady schreiben können.
Was auch immer die Gründe für sein Verlangen nach ihr waren, es war klar, daß er die Lady nur bekäme, wenn er so tat, als wolle er bei ihrem verrückten Plan mitmachen. Nun, zumindest würde es äußerst interessant werden.
Schließlich wußte er bereits, wer das Manuskript von Die Lady im Turm besaß, nach dem sie suchte. Es ging nur darum, daß sie nichts davon erfuhr, ehe er sie in sein Bett gelockt hatte.
Gabriel blieb neben einer Reihe von Schränken stehen, die einige der interessantesten Bücher seiner Sammlung enthielten. Er öffnete die Glastüren, griff hinein und zog einen Band heraus, der in dick gepolstertes Leder gebunden war.
Er trug das überraschend schwere Buch zum Tisch hinüber. Dort legte er es ab und öffnete das kleine Schloß, das die dicken Buchdeckel um die vergilbten Pergamentseiten zusammenhielt. Vorsichtig öffnete er das Buch und blätterte bis zur letzten Seite.
Einen Augenblick starrte er gedankenverloren auf die Schlußinschrift, die in altem Französisch abgefaßt war:
Hier endet die Geschichte von der Lady im Turm. Ich, Wilhelm von Anjou, habe nichts als die Wahrheit aufgeschrieben. Verflucht sei jeder, der versucht, das Buch zu stehlen. Er soll in den Wogen des Meeres ertrinken. Er soll von Flammen verzehrt werden. Er soll eine endlose Nacht in der Hölle verbringen.
Gabriel schloß Die Lady im Turm mit größter Vorsicht und stellte das Buch zurück in den Schrank. Das Spiel, das er mit der verschleierten Lady spielen würde, war nicht ganz ungefährlich.
Er fragte sich, wie sie jemals hatte denken können, daß Neil Baxter sie liebte.
Sie mußte immer noch ziemlich an dem Bastard hängen, wie Gabriel mit einem Stirnrunzeln überlegte. Das war Pech. Baxter hatte eine solch temperamentvolle und geistvolle Frau nicht verdient.
Aber Baxter konnte mit Frauen umgehen, das hatte Gabriel am eigenen Leib erfahren.
Er beschloß, daß sein oberstes Ziel war, die verschleierte Lady ihren ehemaligen Liebhaber vergessen zu lassen. Gabriel freute sich schon auf diese Herausforderung.
Er verließ das kleine Turmzimmer und stieg die enge Wendeltreppe hinab. Die Absätze seiner Stiefel dröhnten auf den alten Steinen.
Aus den leeren Zimmern im dritten Stock wehte es kühl in den Flur hinaus. Es war beinahe unmöglich, hier vernünftig zu heizen. Beim Bau der Burg hatte der Komfort der Bewohner anscheinend nicht im Vordergrund gestanden. Es ließ sich nicht leugnen, daß Gabriel ein wahres Ungetüm von einem Haus besaß. Die Restaurierung würde Jahre dauern.
Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß er zumindest genug Platz für all seine Bücher und für die herrliche Bibliothek seines Vaters hatte, die er gerade wieder zusammenstellte. Und die Burg lieferte den passenden Hintergrund für seine wachsende Sammlung mittelalterlicher Waffen.
Trotzdem fragte er sich oft, welcher Teufel ihn geritten hatte, diesen verfallenen Steinhaufen hier an der Küste von Sussex zu kaufen. Das Gebäude war riesig, und er hatte niemanden außer seinen Bediensteten, mit dem er es teilen konnte.
Nicht, daß es etwas Neues für Gabriel gewesen wäre, allein zu sein. Er hatte den Großteil seines Lebens allein verbracht. Sein Vater war ein brillanter Gelehrter gewesen, der sich nach dem Tod von Gabriels Mutter vollkommen den Schätzen seiner Bibliothek gewidmet hatte. Er war auf seine Art ein freundlicher Mensch gewesen, aber es bestand kein Zweifel daran, daß er seinen Büchern den Vorzug vor der Erziehung eines mutterlosen Sohnes gegeben hatte.
Gabriel war sich selbst und der Obhut der Bediensteten überlassen gewesen, und er hatte früh gelernt, sich seine eigene Welt zu schaffen. Das hatte er getan, seit er fünf Jahre alt war, und er hatte diese Welt mit einer Reihe von Helden der Artussagen bevölkert. Nachdem er alle Legenden über die glorreichen Taten alter Ritter, derer er habhaft werden konnte, verschlungen hatte, hatte er angefangen, selbst zu schreiben.
Er hatte keine seiner Kindergeschichten aufgehoben, sondern sie
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