Verruchte Lady
Absichten hat, ehrenwerter Natur sind sie auf jeden Fall ganz bestimmt nicht.«
Phoebe wandte sich an ihre Schwester. »Meredith, so etwas darfst du nicht sagen. Wylde ist ein durch und durch ehrenwerter Mann.«
»Wenn das der Fall ist, warum scharwenzelt er dann die ganze Zeit um dich herum, ohne auch nur das geringste Anzeichen dafür, daß er um deine Hand anhalten will?« entgegnete Meredith.
»Weil wir Freunde sind«, sagte Phoebe verzweifelt. Sie konnte schwerlich erklären, daß sie gemeinsam auf der Suche nach Neils Mörder waren. »Wir haben gemeinsame Interessen. Ich versichere dir, das ist alles.«
Meredith schüttelte traurig den Kopf. »Es tut mir so leid, Phoebe. Aber du mußt einfach realistisch sein. Es gibt nur einen Grund, weshalb sich Wylde in den letzten Tagen ständig in deiner Nähe herumtreibt. Er hat die Absicht, dich zu ruinieren, um sich auf diese Weise an uns allen zu rächen.«
Phoebe sprang auf. »Du irrst dich. Diesen Unsinn werde ich mir nicht länger anhören. Wylde und ich haben nicht die Absicht zu heiraten. Ich bin mir durchaus bewußt, daß ich nicht sein Typ bin. Aber wir sind Freunde, und wir haben vor, Freunde zu bleiben, so.«
Phoebe stürzte aus dem Zimmer und floh die Treppe hinauf in die Abgeschiedenheit ihres Schlafzimmers. Sie schloß die Tür und warf sich in den Sessel am Fenster.
Also war Gabriel reich. Und was bedeutete das?
Die Tatsache, daß Gabriel ein Vermögen besaß, verblüffte sie nicht besonders. Gabriel war einer dieser erstaunlich kompetenten Männer, die den Eindruck machten, als würde ihnen alles gelingen, was sie sich vornahmen. Wenn er in die Südsee gegangen war, um dort reich zu werden, dann war es nicht überraschend, daß er Erfolg gehabt hatte.
Es war Phoebe nie besonders wichtig gewesen, ob er nun ein Vermögen hatte oder nicht. Sie hatte sich aus anderen Gründen in ihn verliebt.
Verliebt.
Ja, verliebt. Phoebe schloß die Augen und umklammerte die Sessellehne. Sie konnte es sich ruhig eingestehen. Sie liebte Gabriel seit der Nacht, in der sie ihm im Mondschein auf der Landstraße in Sussex begegnet war.
Seit er sie zum ersten Mal geküßt hatte.
Vielleicht sogar noch länger. Phoebe fragte sich traurig, ob sie sich vielleicht bereits in ihn verliebt hatte, als sie sein erstes Manuskript gelesen hatte und ihr klargeworden war, daß der Autor der Mann war, der die Verkörperung ihres jugendlichen Ideals von Ritterlichkeit gewesen war.
Sie hatte Lacey Anweisung erteilt, Gabriel umgehend davon in Kenntnis zu setzen, daß sie den Ritterzug veröffentlichen würden. Sie hatte jeden einzelnen Satz dieses Briefes diktiert:... Ein vollkommen neuartiger Roman. Behandelt das Thema Liebe auf eine sehr erbauliche Weise...
Kurze Zeit später hatte sie angefangen, von ihm zu träumen. Als ihr klargeworden war, daß sie einen Ritter brauchte, der ihr bei der Suche nach Neils Mörder half, war die Wahl automatisch auf Gabriel gefallen.
Es gab keinen Zweifel. Gabriel hatte ihre Gedanken seit Wochen beschäftigt, und ihr war allmählich klargeworden, daß er ihr wohl für den Rest ihres Lebens keine Ruhe mehr lassen würde.
Was für ein schreckliches Durcheinander. Da unten saß Mama und hegte die Hoffnung, Phoebe mit Wylde zu verheiraten. Meredith hatte entsetzliche Angst, daß Gabriel nur vorhatte, Phoebe zu ruinieren, um sich an ihrer Familie zu rächen. Anthony und Papa würden zweifellos ähnliche Befürchtungen hegen. Entweder das oder sie würden anfangen, Gabriel zu bedrängen, daß er endlich um ihre Hand anhielte.
Phoebe stöhnte und vergrub das Gesicht in den Händen. Niemand hörte ihr zu, wenn sie versuchte zu erklären, daß sie und Wylde nicht mehr als Freunde waren. Und niemand würde verstehen oder gutheißen, wenn sie versuchte zu erklären, daß er ihr nur dabei half, einem Mörder auf die Spur zu kommen.
Je öfter sie in Wyldes Gesellschaft gesehen würde, um so stärker würde die Vermutung ihrer Familie, daß er entweder auf Rache aus war oder um ihre Hand anhalten wollte.
Was für eine Katastrophe. Wie lange könnte sie den jetzigen Zustand wohl noch durchhalten?
Phoebes chaotische Gedanken wurden durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. »Herein.«
Eins der Mädchen trat ins Zimmer und machte einen leichten Knicks. »Ich hab’ eine Nachricht für Sie, Ma’am.« Sie hielt
Phoebe ein zusammengefaltetes Blatt Papier hin. »Ein Junge hat sie vor ein paar Minuten an der Küchentür abgegeben.«
»Eine Nachricht?«
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