Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
nichts miteinander zu tun.
Er verbannte seine Gedanken an die verführerische Lady Barrowby in die hinterste Region seines Gehirns und beobachtete das Haus genau. Vielleicht konnte er die Fassade hinaufklettern, wenn er sich mit Händen und Füßen an den Rillen zwischen den Steinen festklammerte. Er könnte sich morgen unbeobachtet ins Haus stehlen und bis zur kommenden Nacht warten. Er könnte …
Er könnte alt werden und sterben, bevor es ihm gelang, unbeobachtet ins Haus zu gelangen. Er zog ein Taschentuch aus seiner Jackentasche, wickelte es ein paarmal um seine Faust und schlug die nächstgelegene Glasscheibe ein.
»Geschafft.« Es war primitiv, aber effektiv. Er hoffte nur, dass die Drei es niemals erfuhren.
Er ließ sich ins Haus ein. Das Fenster gehörte zu einem kalten Raum mit einem Spinett und ein paar Sesseln für die
Zuhörer. Er war reizend und geschmackvoll in einer Weise, die eher dem vergangenen als dem aktuellen Jahrhundert entsprach, und sah aus, als sei er seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Marcus schnaubte leise vor sich hin. »Sie scheint nicht wirklich der Typ fürs Spinett zu sein, nicht wahr?«
Er lauschte sorgfältig an der Tür, bevor er auf den Flur trat. Leise schlich er den Gang hinunter und löschte im Vorbeigehen eine Kerze nach der anderen mit seinen Fingerspitzen. Nur ein paar ließ er für den Fall brennen, dass er übereilt fliehen musste.
Wo sollte er anfangen? Ganz offensichtlich würde das Damenschlafzimmer die meisten Geheimnisse hüten - bei einigen Damen mehr, bei den anderen weniger - aber da die fragliche Lady ohne Zweifel gerade jetzt in diesem Raum schlief …
Ich würde zu gerne wissen, was sie im Bett anhat. Ob sie wohl das Haar offen trägt oder geflochten? Hatte sie in Rosenwasser gebadet, bevor sie zu Bett ging?
Marcus blieb lange genug stehen, um diese unpassenden Gedanken aus seinem Gehirn zu verbannen, dann setzte er seinen Weg fort. Er würde mit dem Offensichtlichen anfangen, um es rasch ausschließen zu können - dem Arbeitszimmer.
Es war ein großer und sehr männlicher Raum mit glänzenden hölzernen Vertäfelungen und schweren samtenen Vorhängen. Der riesenhafte Mahagoni-Schreibtisch versetzte Marcus einen Stich. Gerne hätte er ihn besessen, denn er war gleichermaßen elegant wie funktionell und eines Lords mehr als würdig. Die Schubladen waren allerdings vollkommen leer, beinhalteten nicht einmal einen Bleistiftstummel.
Im Safe war nichts als eine Notiz: »Amateur«.
Er fand einen viel versprechenden, hohl klingenden Teil des Schreibtisches und entdeckte ein Geheimfach. Wieder
eine Notiz. »Geht nach Hause. Euch mangelt es an Vorstellungskraft.«
Er musste lachen. Hier hatte jemand einen sehr verqueren Sinn für Humor. Sicherlich konnte es nicht Lady Barrowby sein, oder?
Er beschloss, dass das Arbeitszimmer zu offensichtlich war, und dass sie es sowieso kaum zu benutzen schien. Wo verbrachte sie den größten Teil ihrer Zeit?
Er arbeitete sich den Flur hinunter und unterzog ein jedes Zimmer einer genauen Durchsuchung. Er wusste es, als er es sah. Es gab da ein nettes kleines Zimmer neben dem Musikzimmer, der Blick aus dem Fenster ging in den Garten, ein eleganter Schreibtisch stand darin, ein bequemer Sessel und ein Bodenkissen mit einem Stickkorb darauf.
Im Schreibtisch fand er die Bücher des Landsitzes. Sie wurden in einer ordentlichen Handschrift geführt, die noch besser war als seine eigene. Lady Barrowby schien alles allein zu machen, hatte keinen Verwalter dafür eingestellt. Darüber hinaus machte sie es wirklich gut, außer dass sie selbst gemessen an der enormen Größe des Hauses viel zu viel Personal beschäftigte.
Sein Blick fiel wieder auf den Stickkorb.
Er konnte nicht erklären, warum seine Anwesenheit ihn derart irritierte, außer dass, wieder einmal, Lady Barrowby nicht der Typ fürs Sticken zu sein schien.
Der Korb wirkte auch irgendwie vernachlässigt, obwohl der Schreibtisch heftig benutzt wurde. Er bückte sich und wischte Staub vom Griff des Korbes. Neugierig, denn er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die vitale, vor Energie sprühende Julia sich einen ganzen Abend lang einer Stickarbeit widmete, hob er den Deckel an. Er fand, was er für die üblichen Zutaten eines solchen Zeitvertreibes hielt. Farbiges Stickgarn, Nadeln, winzige goldene Scheren … und unten im Korb einen doppelten Boden.
Den wenigsten Menschen wäre es aufgefallen, aber für ihn war es offensichtlich. Die äußere Abmessung
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