Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
Eingangsbereich des Hauses. Er schlich sich ein Stück den Hügel entlang, bis er die Auffahrt sehen konnte.
Als Marcus Elliot an der Haupttreppe von Barrowby mit einer Geschwindigkeit ankommen sah, die eindeutig zu schnell für sein Pferd war, dachte er zunächst, es müsse sich um einen Notfall handeln. Impulsiv wollte er selbst die Stufen hinaufrennen und die Jungfer retten; doch dann erinnerte er sich voller Zynismus, dass es in diesem Haus keine Jungfern mehr gab.
Er sah durch das Fenster, wie im vorderen Salon Kerzen angezündet wurden und ein Hausmädchen eilig den Raum vorbereitete. Sie zog sogar die Vorhänge fest zu.
Marcus lächelte. »Oh, herzlichen Dank! Das kommt mir sehr gelegen«, murmelte er.
Traf es sich nicht wunderbar, dass er von genau diesem Fenster das Schloss geöffnet hatte, als er vorhin dort gestanden und in den grauen Nachmittag hinausgestiert hatte? Da es jetzt ordentlich verhängt war, konnte er es ein Stückchen aufschieben und ohne Schwierigkeiten von draußen lauschen. Rasch stieg er den Hügel hinab - wobei er immer im Schatten der alten Bäume blieb - und überquerte die im Dunkel liegende Rasenfläche bis zu dem Beet unterhalb des Fensters zum vorderen Salon. Ein kleiner Stoß mit dem Finger, mehr brauchte es nicht, um das Fenster ein Stückchen aufzuschieben, sodass er der Unterhaltung im Innern des Zimmers lauschen konnte.
Zwei Stimmen. Eine tief und mit dem schleppenden Tonfall,
der eindeutig Elliot gehörte, eine leicht mit jener betörenden Betonung, die ihm ungewollte Schauer über den Rücken jagte.
Elliot schien eindeutig von irgendetwas überrascht zu sein. »Ich, Mylady? Aber ich dachte, Blythe-Goodman …«
Lady Barrowby fiel ihm ins Wort. »Ich kenne den Mann kaum«, sagte sie knapp. »Aber von Euch weiß ich, dass Ihr die Situation realistisch einschätzt.«
Verdammt, er hatte etwas Wichtiges verpasst.
»Natürlich.« Elliots Überraschung war nicht mehr zu spüren. Er schien von der Sorte zu sein, die sich leicht einschüchtern ließ. »Ich kann Euch einen wertvollen Dienst erweisen. Ihr werdet mich dafür entlohnen.«
Marcus blinzelte. Dienst? Entlohnen? Elliot verfügte seiner Ansicht nach über keinerlei Fähigkeiten außer seinem Charme.
Lady Barrowby lachte sanft. Marcus’ Nackenhaare stellten sich unwillkürlich auf.
»Nein, Elliot. Ihr habt mich missverstanden«, sagte sie. »Ich trachte nicht nach einer temporären Lösung meines Problems. Ich würde es gern festmachen.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Marcus brannte darauf, zu erfahren, was festgemacht werden sollte. Verdammt noch mal, antworte ihr, Elliot!
»Mir ist bewusst, dass Ihr kein Interesse an falschen Liebesschwüren habt, Mylady«, sagte Elliot langsam. »Aber im Augenblick glaube ich, dass Ihr mir die liebste Frau auf der ganzen Welt seid.«
Marcus hörte dieses sanfte Lachen wieder, das sich anhörte, wie sich Sahne auf seiner Zunge anfühlte.
»Elliot, wenn Ihr meinem Vorschlag zustimmt, dann bleibe ich für Euch auch besser die liebste Frau auf der ganzen Welt, bis dass der Tod uns scheidet.«
»Das sollte mir nicht schwerfallen … Julia.«
Nein. Marcus konnte es nicht glauben.
Bis dass der Tod uns scheidet?
Julia?
Sie wollte diesen nutzlosen Schönling heiraten? Diesen schmalzigen, seichten, von Schulden geplagten Langfinger …
Okay, vielleicht ging ›Langfinger‹ ein bisschen zu weit, aber um Himmels willen, Elliot war ein Makel für die gesamte männliche Bevölkerung Englands! Er war eine faule, eitle, unmotivierte, frivole Schmeißfliege! Julia war einfach viel zu intelligent und zu reizend, um sich an eine solche Person zu verschwenden …
Julia?
Marcus bemerkte, dass er knöcheltief in der weichen Beeterde von Barrowby stand und stumm vor sich hinfluchte. Er war absolut entsetzt von der Vorstellung, dass seine Zielperson einen anderen Mann heiraten könnte - äh, irgendeinen Mann, natürlich.
Wenn er sich um irgendjemanden Sorgen machte, dann müsste das eigentlich Elliot sein. Der hatte schließlich keine toten Ex-Ehegatten vorzuweisen.
Noch wichtiger wäre es jedoch, sich darüber zu sorgen, wie er seinen Auftrag ausführen und die Royal Four vor Kontamination bewahren konnte, jetzt, da Lady Barrowby seinen Plan, ihr nahezukommen, so gekonnt zunichte gemacht hatte.
Es drangen keine Stimmen aus dem Salon mehr nach draußen. In seinen Augenblicken der Wut mussten Lady Barrowby und Elliot sich voneinander verabschiedet haben.
Verdammt!
Keine
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