Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
meinem Kinn …«
Julia schmiegte sich an ihn, als könnte sie ihn vor dem Augenblick beschützen, als er ins Gewächshaus trat und seine Mutter in den Armen eines Fremden sah.
»Sie küssten sich nur, aber dann drehte er sich zu mir um und sah mich an, als würde er mich kennen, als wüsste er alles über mich und wäre stolz auf mich! Er sah mich genauso an, wie ich mich mein Leben lang danach gesehnt hatte, von dem Mann angesehen zu werden, den ich für meinen Vater hielt.« Er schüttelte den Kopf. »In diesem Augenblick wurde mir klar, dass es niemals passieren würde. Ich wäre niemals der Sohn meines Vaters … niemals. Ich gab nichts auf die Achtung des Fremden. Ich verehrte den Mann meiner Mutter. All die Jahre, die ich mich um sein Wohlwollen bemüht hatte, waren vergebens gewesen. Wenn ich es doch nur gewusst hätte.«
»Also gibst du ihm die Schuld«, sagte Julia leise.
»Nein.« Marcus lachte bitter auf. »Ich gebe ihr die Schuld.« Er hielt einen Moment inne. »Zumindest tat ich das.« Er seufzte. »Am selben Tag bin ich in die Armee eingetreten - im Glauben, all dem zu entkommen«, fügte er langsam hinzu. Zum ersten Mal war es ihm klar geworden. »Und doch versuchte ich immer noch, mich zu beweisen.«
Julia legte den Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen. »Marcus, warum erzählst du mir das alles?«
Mit einer Hand drückte er ihren Kopf wieder an seine Schulter und strich ihr übers Haar. »Ich wollte, dass du Bescheid weißt, damit du es verstehst, wenn …« Er brachte es nicht über sich, es ihr zu sagen; aber er verspürte den Drang, sich auf irgendeine Art bei ihr dafür zu entschuldigen, dass er ihre Geheimnisse gegen sie verwendet hatte.
»Als ich dich zum ersten Mal traf, und noch davor, da hatte ich gewisse Dinge angenommen. Die schöne Witwe eines betagten Lords - also, das ist ja schon ein Klischee.«
Sie seufzte resigniert. »Nur in den Augen derer, die gerne in Klischees denken.« Dann schüttelte sie den Kopf und rümpfte die Nase. »Ich sehe ganz gut aus, aber ich bin keine Schönheit. Meine Mutter war schön. Ich bin wohl recht hübsch, aber meine Nase ist zu groß und meine Haare sind einfach unmöglich.« Sie spreizte die Hände. »Und schau dir nur diese Finger an!« Sie seufzte. »Überall Schwielen. Ich werde sie einfach nicht los. Ich glaube, Ihr braucht eine Brille, Mr. Blythe-Goodman.«
Sein Tarnname klang harsch in seinen Ohren und rollte gegen sein Gewissen wie Meereswellen an den Strand. Er räusperte sich. »Wie auch immer, jedenfalls soll ich Frauen gegenüber blind gewesen sein. Ich stehe im Ruf, ein wenig - voreingenommen zu sein.« Er zuckte die Achseln und brachte sie dazu, sich wieder an ihn zu schmiegen. »Ich wollte nur, dass du weißt, dass es mir inzwischen egal ist. Ich habe selbst meine Fehler. Ich erwarte nicht länger, dass die Frau, die ich … ich erwarte nicht, dass sie eine Heilige ist.«
»Also, das ist ja sehr großzügig von dir«, sagte sie spöttisch und schaute ihn skeptisch an. »Und insbesondere welche meiner Laster hast du entschieden zu ignorieren?«
Er lachte. »Julia, die Sache ist die: Es ist mir einfach egal geworden. Heilige oder Hure, es macht keinen Unterschied. Ich will dich, ganz und gar. Mit allem, was dich ausmacht.«
15. Kapitel
M it allem, was dich ausmacht.
Dieses Mal war es kein Hirngespinst, sondern Realität. Mit allem, was dich ausmacht.
Mit allem, was sie ausmachte? Mit ihrem rechthaberischen Gehabe, ihrem schiefen Gesang und der Art, wie ihre kleinen Zehen von all den Jahren des Barfußlaufens abstanden?
Mit ihrer Vergangenheit? Und ihrer Gegenwart?
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Ihrer Zukunft?
Sie küsste ihn, und dieses Mal hielt sie seine Hände fest, sodass er sie nicht wegschieben konnte. Er wehrte sich zunächst ein wenig, aber sie gab nicht auf, zähmte seinen Mund, bis er nicht mehr auch nur für eine einzige Sekunde das Bedürfnis hatte zu reden.
Mit seinen Händen fest in ihrem Griff und seinen Lippen mit den ihren beschäftigt, rutschte sie auf seinem Schoß herum, bis sie schließlich rittlings auf ihm saß. Endlich konnte sie sich ihm voll und ganz widmen.
Als sie ihn endlich Luft holen ließ und sich ein wenig zurücklehnte, blieb er, wie er war. Mit dem Hinterkopf gegen die Rückenlehne gelegt, flüsterte er: »Wenn ich schlafen sollte, dann weck mich nicht auf.« Er schluckte schwer, was sie daran erinnerte, dass sie ihm das Halstuch abnehmen wollte.
»Halt still«, befahl sie, als sie
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