Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
und Arme und ihr Herz hatten sich noch nie so leer angefühlt.
»Schön. Dann muss es morgen ja aufwärtsgehen.«
Sie ließ sich auf die Bettdecke fallen, presste die Hände auf die Augen. Jetzt, da sie aufgehört hatte, sich zu bewegen, schien es ihr, als würden die ganzen Gefühle, die sie diesen endlos langen Tag im Griff gehabt hatte, hochkommen und auf sie einstürzen.
Marcus.
Sie würde nicht weinen. Nein. Das würde sie nicht. Sie hatte ihn verlassen, hatte zum letzten Mal seine Liebe gespürt, und sie hatte sein Pferd behalten. Tränen brachten ihr nichts ein.
Und doch konnte sie nicht verleugnen, dass er sie erwischt hatte, als sie dachte, sie hätte es geschafft. Zu versagen war das Letzte, was ein Mann wie Marcus wollte. Er würde sie wiederfinden können, denn er hatte sich in ihr Herz geschlichen. Er kannte sie auf eine Art, wie sie es sich von ihrem Liebhaber immer erträumt hatte.
Doch leider war ihr Liebhaber jetzt ihr Feind.
Ach, zum Teufel damit! Manchmal waren Tränen das Einzige, was einer Frau bewies, dass sie noch fühlen konnte.
Ein Brüllen durchbrach die morgendliche Stille.
»Sebastian?«
Julia warf die Decke zurück und sprang aus ihrem ausgeliehenen Wagen, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, einen Morgenrock überzuziehen. Sorglos rannte sie barfüßig durch Schlamm und Dreck und durchquerte das Lager binnen weniger Sekunden bis dahin, wo die Tiere untergebracht waren.
Hinter einem Wagen, in dem ein paar Affen sich gegenseitig nach Flöhen absuchten, saß Sebastian mürrisch in einem verbeulten, mit Draht verschlossenen Käfig. Seine Mähne war verfilzt, und seine Augen tränten, und er war so dünn wie nie zuvor.
»Oh, mein süßes Baby«, flüsterte Julia und kniete sich in den Schlamm neben dem Gitter. »Hab keine Angst, Mama ist ja jetzt bei dir.«
»He da! Weg von dem Biest!« Ein stämmiger Mann in dreckverspritzten Baumwollhosen kam auf sie zugerannt und zerrte sie am Arm.
Julia wehrte ihn ab und wandte sich wieder Sebastian zu. »Hab keine Angst, mein Schatz. Ich lasse nicht zu, dass der böse Mann dir etwas antut.«
»Ihm was antun? Miss, ich hab den Gewinn eines ganzen Jahres für ihn bezahlt. Hab ihn einem Bauern abgekauft, der ihn abknallen wollte. Aber er frisst nichts und lässt niemanden an sich ran.«
Julia fingerte an dem verdrehten Draht herum, der die Käfigtür verschlossen hielt. »Ihr müsst das Fleisch ganz klein hacken und alle Knochen daraus entfernen. Er muss gebürstet werden und hat sich erkältet. Löwen stammen aus Afrika! Die darf man nachts nicht draußen in der Kälte lassen.«
Eine große, schmutzige Hand schob sich in ihr Gesichtsfeld und hielt ihre Finger fest. »Miss, Ihr solltet zurück zum Wagen für die kleinen Mädchen gehen und die wilden Tiere denen überlassen, die mit ihnen umzugehen wissen.«
Julia fuhr ihn an: »Zum Wagen für die kleinen Mädchen?« Der Mann wich einen Schritt zurück. »Meine Familie hatte ihre eigene Schau, Ihr Dummschwätzer! Ich bin Jilly, die Kunstreiterin, und das hier ist mein verdammter Löwe!« Sie machte noch einen Schritt vor und stieß dem Mann fest mit dem Zeigefinger an die Brust. »Und jetzt seht zu, dass Ihr sein Fleisch klein hackt!«
»J-ja, Ma’am.« Der Mann rannte um sein Leben. Sebastian schickte ihm ein erregtes Brüllen hinterher.
Julia griff zwischen den Gitterstäben durch und fuhr mit der Hand durch Sebastians Mähne. »So ist’s gut, mein Schatz. Dem kannst du was erzählen!«
Sebastian nahm ihr Handgelenk zwischen seine mächtigen, zahnlosen Kiefer und zerrte sanft. Mehr.
Julia lachte gerührt und zog ihre Hand aus dem Käfig. »Bin schon unterwegs, mein Schatz.« Sie wischte die Spucke achtlos an ihr geborgtes Nachthemd und beugte sich noch einmal über das Drahtgeflecht. »Wenn der Idiot jemals vorgehabt hätte, dich zu versorgen«, flüsterte sie, »hätte er die Tür niemals dermaßen abgesperrt.«
»Jemand mag die Bestie nicht?«, erklang eine sonore Stimme hinter ihr. »Das kann ich gar nicht glauben.«
Julias Herzschlag setzte aus. Sie wirbelte herum und sah sich Marcus gegenüber. »Wie hast du mich gefunden? Die Zirkusleute würden niemals …«
Marcus schüttelte den Kopf. »Haben sie auch nicht. Ich habe Sebastians Spur verfolgt. Die Leute vergessen es nicht so schnell, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Löwen sehen.« Er legte den Kopf schief und musterte sie eine Weile. »Du liebst das zottelige Vieh. Ich wusste, dass du in seiner
Weitere Kostenlose Bücher