Verrückt bleiben
Schnellreinigerin, die einen Fleck (Bautzener Senf, mittelscharf) aus meiner Bluse entfernt hat. Ich kann nicht kommen, denn ich hab einen Termin beim Zahnarzt. Der war eigentlich um 11.30 Uhr, dann hätte ich die anderen Sachen locker schaffen können, aber jetzt ist es schon 12.20 Uhr, und ich bin noch nicht mal dran. Ob ich in der Schnellreinigung anrufe? Sage, dass ich später komme? Hoffentlich gibt sie meine Bluse nicht weg. Oder zerreißt sie in kleine Fetzen, aus Wut. Vielleicht quälen solche Dinge nicht alle Menschen so, aber mich! Ich wische zu Hause nie Staub, kämme mich selten und kann überhaupt nicht kochen, aber ich bin sehr, sehr pünktlich. Oft stoße ich bei Mitmenschen auf Unverständnis, wenn ich schon fünf Stunden vorher am Flughafen sein will oder eine halbe Stunde vor Filmbeginn vorm Kinosaal rumlungere. Ich malträtiere Freunde, Kollegen, Verwandte mit meiner Pünktlichkeit, und wenn ich Punkt 19 Uhr auf den Klingelknopf eines Geburtstagskindesdrücke, dessen Party AB SIEBEN losgeht, ist der Gastgeber meist noch unter der Dusche. Aber wer ahnt denn so was?
Leiht jemand mir ein Buch mit den Worten »Das brauch ich aber nächste Woche wieder«, finde ich von da an keine ruhige Minute, ehe ich die Leihgabe nicht ordnungsgemäß erledigt, also gelesen und vor Verstreichen des Termins zurückgegeben habe. Ich würde das Thema gern episch ausführen, aber ich muss los. Bin mit einer Fleischwaren-Fachverkäuferin verabredet. Die sagte mir gestern auf meine Frage nach Geflügelleber: »Fragen Sie doch morgen Mittag noch mal nach.« Die wartet sicher schon.
Aber jetzt mal ernsthaft! Blocken Sie einen Tag in der Woche – ohne anderen Rechenschaft darüber zu geben, was Sie tun und wo Sie sind. Tun Sie konsequent und ununterbrochen NICHTS. Ihr Unterbewusstsein wird hinter den Kulissen wertvolle Räumarbeit leisten. Tauchen Sie ein in die Welt der Wachträume. Starren Sie dumpfbackig an die Zimmerdecke. Schmieden Sie Ränke, lassen Sie den lieben Gott einen guten Mann sein, halten Sie kräftig Maulaffen feil.
Will man Sie zu Rechtfertigungen zwingen, dann erzählen Sie lieber nichts von Mandarin-Unterricht oder ehrenamtlicher Tätigkeit – bleiben Sie ohne Begründung fest. »Da kann ich nicht.« Keine Rumeierei, keine Rechtfertigungen! Lehnen Sie Einladungen ab mit den Worten: »Ich möchte lieber nicht.« (siehe Kapitel »Just say No! – Der Bartleby in uns«) Halten Sie den betreffenden Tag von Hausarbeiten und Verwandten-Telefonaten frei. Auch der Fernseher bleibt aus!
Wenn Sie das ostentative Nichtstun nicht ertragen können, dann tun Sie etwas, aber arbeiten Sie ausschließlich an Ideen, die Sie schon seit langem im Kopf haben. Wenn Sie keine Ideen haben, aber das Nichtstun dennoch nicht ertragen können, dann lernen Sie Jonglieren, vertiefen Sie ihre Spezialkenntnisse, bringen Sie sich selbst Canasta bei, gehen Sie mitten am Tag ins Kino. Hocken Sie sich mit unbestimmtem Ziel oderganz ohne Ziel vor den DVD-Schrank, vors Bücherregal. Sprechen Sie den Nachbarn an, mit dem Sie noch nie ein Wort wechselten. Machen Sie eine Stadtrundfahrt durch die eigene Stadt. Setzen Sie sich auf eine Bank im Stadtpark und beobachten sie Menschen. Finden Sie einen interessanten, dann fragen Sie ihn nach dem Bahnhof, auch wenn Sie wissen, wo der Bahnhof ist.
Studieren Sie Jobanzeigen, auch wenn Sie einen Job haben, Partnerschaftsanzeigen, auch wenn Sie einen Partner haben, Wohnungsanzeigen, auch wenn Sie gar nicht umziehen wollen. Halten Sie in Ihrem Menschenleben immer diese Pufferzonen offen. Kämpfen Sie für Ihre Zeitinseln. Verteidigen Sie sie wie eine Festung. Und wenn Sie es allein nicht schaffen, erfinden Sie einen Torhüter, eine Astrid Meierhanns.
17. Ab und an Festplatte löschen
»Der Besitz besitzt.
Er macht die Menschen kaum unabhängiger.«
Friedrich Nietzsche
Vor zwei Jahren schenkte mir jemand eine teure Kaffeemaschine. Sie kann Kaffee machen, Espresso, Tee, sie kann Milch schäumen, sie hat einen USB-Anschluss, eine Weckfunktion und sicher auch eine eingebaute Personenwaage. Ganz tolles Ding. Aber Tag und Nacht brüllte sie: »Putz mich, entkalk mich, fütter mich!« Das ging mir entschieden zu weit. Die Kaffeemaschine war das, was ich einen tyrannischen Gegenstand nenne. Sie versuchte, mich zu ihrem Sklaven zu machen. Da hab ich sie verschenkt.
Nun werden Sie sich gewiss fragen: Warum ist Frau Buschheuer so seltsam? Ja, Warum?
Ich bin in meinem Leben schon mehr als zwanzigmal
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