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Verrückt bleiben

Verrückt bleiben

Titel: Verrückt bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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auf den Boden kriegen. Einmal im Jahrwürde ein Männertag gefeiert werden, ein Minderheiten-Streichelzoo-Tag, an dem wir uns jovial zum schwachen Geschlecht herabbeugen und ihm Pralinen und Nelken schenken würden.
    Aber es ist ja anders gekommen.
    Kennen Sie diese Fragebogenfrage nach der Lieblingsheldin im Leben und in der Literatur? Die Antworten mäandern zwischen »Mutter Teresa«, »Jeanne d’Arc« und »Mrs. Dalloway« von Virginia Woolf, manche nennen Carrie Bradshaw aus »Sex and the City«, andere sagen schlicht »meine Großmutter«. Aber stilisieren wir uns nicht selbst, wenn wir auf diese Fragen antworten? Wollen wir nicht, dass das »richtige« Bild entsteht?
    Was würde ich sagen, wenn ich meine Lieblingsheldin nennen sollte? Natürlich würde auch ich an meinem Außenbild arbeiten. Es müsste etwas Brachiales oder Schräges sein, jemand aus der matriarchalischen Ur- und Frühgeschichte vielleicht, Betty Blue, die Romanfigur von Philippe Djian, oder Valerie Solanas, die Verfasserin des Manifests der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer, oder … nein, Alice Schwarzer wirklich nicht mehr.
    Was ist das, eine Heldin? Was ist das, eine Frau? Wer sagt uns, was eine Frau ist? Wer hat die nötige Distanz, das zu entscheiden? Ein Mann ja wohl kaum. Eine Frau erst recht nicht. Ich trage gern Herrenhüte, Herrenpyjamas, Cowboystiefel. Andererseits habe ich Brüste und eine Vagina. Ich habe ein Kind geboren, allerdings nicht aufgezogen. Bin ich also eine richtige Frau? Madonna soll mal gesagt haben: »Ich bin ein schwuler Mann, gefangen im Körper einer Frau.« Das ist schön.
    Und ich?
    Bin ich eine Frau, die Erwartungen ans Frausein erfüllt? Boykottiere ich die Erwartungen ans Frausein aus Trotz? Bin ich ein unwilliges Lustobjekt? Gérard Depardieu sagt, Catherine Deneuve sei der Mann, der er immer sein wollte. Als Thea Sternheim einmal Else Lasker-Schülers Zimmer betreten wollte, während die sich umzog, und darauf hinwies, es seidoch unter Frauen, rief Lasker-Schüler: »Ich bin keine Frau!« Chrysothemis, Elektras Schwester, singt: »Ich bin ein Weib und will ein Weiberschicksal!« Was ist das, ein Weiberschicksal? Blüht das uns allen, ob wir wollen oder nicht?
    Wann ist die Frau eine Frau? Ist sie nicht, genau wie ein Mann, ein lockeres Gebilde von Unwägbarkeiten, ein Wust aus Selbstdefinitionen und Impulsen? Ist sie nicht beklebt mit Abziehbildern, die Mutter, die Hure, die befreite Sklavin? Muss sie sich nicht schütteln, kräftig schütteln, um die Abziehbilder abzustreifen? Aber sie kleben so fest, sie gehen nicht ab, manchmal kleben sie sogar auf den Augen. Sagen wir, Frausein ist ein hilfloser biologistischer Sammelbegriff, ein gewaltiges Spektrum, ein monströses Panoptikum. Die Frau als solche gibt es nicht. Man (?) scheitert schon an der Beschreibung.
    1944 drehte Veit Harlan den Film »Opfergang« mit Kristina Söderbaum in der Hauptrolle. Sie spielt eine Frau mit Vergangenheit und ohne Zukunft, eine ledige Mutter, eine Ehebrecherin, eine Ausländerin, mysteriös und irritierend frei. Sie heißt Aels und ist gern hoch zu Ross, nackt im Wasser oder unterwegs, irgendwo, in Afrika. Der Held des Films, gespielt von Carl Raddatz, hat gerade Octavia geheiratet, ein BDMchen mit Hang zu Nietzsche und verdunkelten Fenstern. Octavia ist gut und rein, ihr Rocksaum ist schwer, und ihr Verständnis ist groß. Sie erfüllt das Rollenbild der Nazis, ganz im Unterschied zu Aels. Die tritt als Herrenreiter auf, tollt mit einem Rudel Hunden herum, schießt mit Pfeilen und Blicken. Natürlich wird sie mit dem Tod bestraft, für so ein Leben. Aber immerhin, eine fürs Dritte Reich erstaunliche Kinoheldin.
    1954 drehte Nicholas Ray den Western »Johnny Guitar« mit Joan Crawford in der weiblichen Hauptrolle. Er gilt als »Frauen-Western«, die »New York Times« schrieb damals, Joan Crawford sei in der Rolle »so geschlechtslos wie die Löwen auf den Stufen der Stadtbücherei und so scharf und unantastbar wie eine offene Packung Rasierklingen«. Sie hat einschönes, aber unheimlich hartes Gesicht und spielt Vienna. Vienna ist eine Amazone, eine Kampfkatze, ein Gestiefelter Kater mit Colt und grünem Schlips. Sie ist aufgestiegen von der »Bardame« zum Boss einer Spielhalle – da kann man keine Schwäche zeigen. Sam, ihr Croupier, sagt einmal: »Manchmal denkt man, diese Frau wär ein Mann. Sie denkt wie ’n Mann, sie handelt wie ’n Mann, dass man manchmal das Gefühl hat, man selbst wär keiner.«
    Das

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