Verrueckt nach Brause
Wut.
„Tom“, schreie ich,
„kann es sein, dass Du mal wieder vergessen hast, mir wichtige Zettel von der
Schule zu geben? Wir hätten 10 Euro bezahlen müssen.“
Mein Sohn, klüngelig
wie er ist, weiß mal wieder von nichts. Er hätte keine Zettel gekriegt, ruft er
aus dem Badezimmer.
Das ist ja mal
wieder typisch, und was bildet sich diese Scheiß-Wunderlich eigentlich ein,
mich in einem allgemeinen Klassenbrief namentlich zu benennen? Ich könnte
platzen vor Wut. Hätte die mich nicht mal anrufen können? Ich überlege, ob ich
sie anrufe, um ihr die Meinung zu geigen. Das ist ja wohl das Hinterletzte.
Stattdessen rufe ich Andrea an. Die steht schließlich auch auf dem Brief.
„Bernhard“, meldet
sie sich überrascht, als mir klar wird, dass morgens um 7 Uhr eine
ungewöhnliche Zeit ist zum Anrufen. Ich wettere jedenfalls sofort los, ob sie
auch schon den Assi-Brief von Frau Dr. gelesen habe. Sie weiß von nichts.
Offensichtlich hat sie noch länger als ich nicht die Tonne ihres Sohnes
überprüft. Nachdem ich ihr alles erzählt habe, ist sie genauso sauer wie ich.
Als ich heute im
Büro ankomme, fühle ich mich schon total gestresst, und das morgens um 8 Uhr.
Meine Kollegin Sandra schaut mich fragend an, und ich erzähle ihr die 10-Euro-Geschichte.
Langsam beruhige ich mich wieder und beschließe, gar nicht auf den Brief zu
reagieren. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt's sich gänzlich ungeniert. Die kann
jetzt lange auf ihr Geld warten. Wenn ich schon vor der ganzen Klasse am
Pranger stehe, dann wenigstens nicht zu Unrecht, beschließe ich und fühle mich
gleich besser.
Die rote Zora – wie
wir die Vorsteherdrüse wegen ihrer Haarsträhne zwischenzeitlich umgetauft haben
– kommt rein und überreicht uns einige Akten, die heute zuerst bearbeitet
werden müssen. Na, dann will ich mich mal auf die Arbeit konzentrieren, damit
ich kein zweites Mal bei Dr. Berger unangenehm auffalle.
Um 14 Uhr verlasse
ich heute pünktlich das Büro. Die Geschichte mit meinem Vater liegt mir noch
schwer im Magen. Ich muss jetzt unbedingt mit meiner Mutter sprechen, die Fotos
kann ich ihr ja immer noch zeigen, falls sie mir nicht glauben sollte. Bevor
ich mit dem Hund rausgehe, rufe ich sie deshalb an.
„Hallo Mama, bist du
allein?“
„Nein, warum denn?
Ist was passiert, Birgit?“
„Ich muss dich
dringend allein sprechen. Kannst du vorbeikommen? Und sag Papa nichts.“
„Verdammt Birgit,
was ist denn los? Kannst du mir das nicht am Telefon sagen?“
„Ich würde dich
lieber persönlich sprechen.“
„Dann sag mir jetzt bitte,
worum es geht.“
„Um Papa.“
„Was ist mit ihm?“
„Das will ich dir
persönlich sagen.“
„Und er darf es
nicht wissen? Jetzt sag mir, was mit ihm sein soll. Er sitzt hier nebenan im
Wohnzimmer.“
„Hat er gehört, was
du redest?“
„Nein, er sieht
fern.“
„O.k., kommst du
dann jetzt vorbei?“
„Nein, Birgit. Ich
denke nicht, dass mich interessiert, was du mir sagen willst.“
„Mama, weißt du es
etwa?“
“Was genau meinst du
denn?“
„Na, was dein Gemahl
dienstags und donnerstags so treibt.“
„Ja, das weiß ich,
und es geht dich absolut nichts an.“
„Mama, das ist ja
wohl nicht dein Ernst.“
„Was? Dass es dich
nichts angeht?“
„Nein, dass du dich
so bescheißen lässt.“
„Birgit, tue mir
einen Gefallen, behalte Dein Wissen für dich, und sprich mich nie wieder darauf
an.“ Damit legt sie einfach auf.
Ich sitze total
perplex vor meinem Telefon und kann es einfach nicht fassen. Sie will es nicht
wissen. Mir kommen die drei Affen in den Sinn, von denen sich einer die Augen,
der andere die Ohren und der dritte den Mund zuhält, und ich denke, dass mir
sowas nie, nie, nie passieren wird. Ich könnte mich in den Hintern beißen, dass
ich mich von Caro zu dieser Aktion habe überreden lassen. Wahrscheinlich geht
das Ganze mich wirklich nichts an. Ich rufe schnell meine Freundin an und
erzähle ihr die Geschichte. Sie ist genauso perplex wie ich und verspricht mir,
die Fotos zu vernichten und keinem ein Sterbenswörtchen zu erzählen.
Kapitel
14
Pünktlich um 18 Uhr
am nächsten Tag bringt mein Bruder Holger Till und Karla zu uns. Tom springt
schon ganz aufgeregt im Flur herum. So ein Übernachtungsbesuch ist für ihn doch
immer wieder etwas ganz Besonderes. Die Zwillinge sind auch kaum zu beruhigen.
Nachdem ich mit
meinem Bruder etwas Small-Talk gemacht habe, verabschiedet er sich gegen 18:10
Uhr. Ich habe mir jegliche Bemerkung über
Weitere Kostenlose Bücher