Verrückt nach Emma
ich zur Couch und schnappte mir die Hefte. Dann hechtete ich zur Wohnzimmertür, um mich schleunigst aus dem Staub zu machen. Zu spät! Simones Oma war schon in der Wohnung. Zum Glück drehte sie mir den Rücken zu und fummelte am Türschloss herum. Mein Herz klopfte wie ein Presslufthammer. Ich saß in der Falle!
Simones Oma drehte sich um, und ich machte einen Satz hinter die Wohnzimmertür. Gerade noch rechtzeitig. Ich drückte mich in die Zimmerecke und versuchte, so leise wie möglich zu atmen. Ein Wunder, dass Simones Oma mein Herz nicht hörte, so verrückt, wie das trommelte.
Ich schloss die Augen und betete, dass das Ganze nur ein schlechter Traum war. Gleich würde ich zu Hause in meinem Bett aufwachen und mich totlachen, weil ich so einen Quatsch geträumt hatte. Monas Tagebuch verkauft! Und heimlich in die Wohnung von Simones Oma geschlichen – was für ein Unsinn!
Leider lag ich nicht in meinem Bett, als ich die Augen wieder öffnete. Ich stand immer noch hinter der Wohnzimmertür von Simones Oma. Hätte ich mir ja gleich denken können, dass das mit dem Beten nicht funktioniert. Wahrscheinlich erhört Gott nur Gebete von Leuten, die regelmäßig in die Kirche gehen. Oder wenigstens an ihn glauben. Würde ich an seiner Stelle vermutlich auch machen.
Durch den Türspalt sah ich, wie sich Simones Oma umdrehte und ins Wohnzimmer kam. Ich hielt die Luft an. Wenn sie hinter die Tür schaute, war ich erledigt! Aber Frau Lessing ging zum Fenster, griff nach einer kleinen Gießkanne und begann, die Blumen auf dem Fensterbrett zu gießen. Dabei redete sie die ganze Zeit mit dem Papagei.
»Na, Lorchen, die Blumen haben’s auch mal wieder nötig, was? Die lassen ja schon die Köpfe hängen. Staub wischen müssen wir auch noch. Aber gleich kriegst du erst mal dein Futter. Du hast bestimmt schon ordentlich Hunger, was?«
Lorchen legte den Kopf schief und krakeelte: » VERFLIXTER MIST !«
Frau Lessing stutzte. »Nanu, wer hat dir das denn beigebracht?«
» VERFLIXTER MIST , VERFLIXTER MIST «, wiederholte Lorchen stolz.
Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht loszukichern. Eigentlich war die Situation ja überhaupt nicht zum Lachen, aber der verdutzte Gesichtsausdruck von Simones Oma war einfach zu komisch.
»Merkwürdig …«, murmelte Frau Lessing.
In diesem Moment klingelte es. Simones Oma verließ kopfschüttelnd das Wohnzimmer.
Als sie an der Tür vorbeikam, hinter der ich stand, machte ich mich so klein wie möglich. Gut, dass Lorchen nicht erzählen konnte, was sie gesehen hatte …
Ich hörte, wie Frau Lessing die Wohnungstür öffnete und mit jemandem redete. Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich war gerade abgelenkt. Mit vor Aufregung steifen Fingern blätterte ich die
Bergdoktor
-Romane durch. Monas Tagebuch musste doch hier irgendwo sein! An die Möglichkeit, dass Simones Oma es vielleicht schon gefunden und sonst was damit angestellt hatte, mochte ich gar nicht denken …
Zwischen
Liebesrausch und Alpenglühen
und
Küsse unterm Gipfelkreuz
tauchte endlich etwas Rot-Schwarzes auf. Vor Erleichterung hätte ich am liebsten laut losgejubelt, aber ich konnte mich im letzten Augenblick zurückhalten. Monas Tagebuch! Ich hatte es tatsächlich wiedergefunden! Liebevoll fuhr ich mit der Hand über den abgegriffenen Einband, auf den Mona in Schönschrift
Monas Tagebuch
–
Lesen für Unbefugte verboten!
geschrieben hatte.
Leider blieb mir nicht viel Zeit, um mich über meinen Fund zu freuen, denn in diesem Moment ertönte eine mir sehr bekannte Stimme.
»Hast du schon mit den
Bergdoktor
-Romanen angefangen, Oma? Ich hab gerade Band 6 gelesen. Mann, das geht echt gut los. Der
Bergdoktor
war nämlich schon mal verheiratet. Aber dann stirbt seine Frau bei einem Autounfall, und er zieht sich in eine einsame Berghütte zurück, um in Ruhe zu trauern …«
Simone! Ich starrte durch den Türspalt. Sie stand im Flur und fuchtelte wild mit den Armen. Der
Bergdoktor
schien wirklich ihr Lebensinhalt zu sein.
»Komm doch erst mal rein, Simönchen«, sagte Frau Lessing. »Möchtest du was Süßes? Ich glaube, ich hab noch ein paar von deinen Lieblingskeksen in der Anrichte im Wohnzimmer.«
Ich erstarrte. Die Anrichte stand direkt neben mir!
»Nein, danke, ich hab gerade eine ganze Tafel Schokolade gegessen.« Simone kicherte. »Wenn ich so weiterfuttere, bricht Flicka beim nächsten Ausritt unter mir zusammen.«
Ich atmete auf. Glück gehabt!
»Na, dann trink wenigstens einen
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