Verrückt nach Emma
lugte hinter der Werbetafel hervor. Luigi, der Kellner vom
Venezia
, stand gerade neben Monas und Bastians Tisch und nahm ihre Bestellung auf. Er sagte etwas, und Mona kicherte. Luigi hat immer irgendeinen flotten Spruch auf den Lippen. Bastian und mich kennt er schon, weil wir im Sommer ziemlich oft im
Venezia
Eis essen waren. Was Luigi jetzt wohl dachte? Ob er Bastian und Mona für ein Paar hielt? Ich schnaufte empört. Nein, unmöglich. Niemand, der halbwegs normal war, konnte die beiden für ein Pärchen halten. Sie passten schließlich überhaupt nicht zusammen. Und warum sollte sich ein Traumtyp wie Bastian mit einem schrägen Vogel wie Mona abgeben?
»Wie bitte?« Eine junge Frau mit pinkfarbenen Absatzschuhen, die gerade ins Fotostudio gehen wollte, blieb stehen und warf mir einen fragenden Blick zu. »Was hast du gesagt?«
Ich lief knallrot an. Hatte ich etwa aus Versehen laut geredet? Das passiert mir manchmal, wenn ich mich über irgendetwas aufrege. Wie peinlich …
»Äh … nichts«, murmelte ich. »Ich hab nur laut gedacht.«
Die Frau lächelte mir zu und klapperte auf ihren hohen Absätzen in den Laden. Ich sah wieder zu Bastian und Mona hinüber. Ihr Eis war gerade gekommen, und sie ließen es sich schmecken. Beide hatten den großen Erdbeerbecher mit Sahne bestellt, das erkannte ich sogar auf die Entfernung. Ausgerechnet meinen absoluten Lieblingseisbecher! Bastian schaufelte einen Löffel nach dem anderen in sich hinein, während Mona redete und redete. Dann sagte Bastian etwas, und beide lachten. Na, die schienen sich ja blendend zu verstehen …
Ich konnte einfach nicht mehr hinsehen. Das war ja nicht zum Aushalten! Ich drehte mich um und ging in die entgegengesetzte Richtung davon. Der Appetit auf Eis war mir vergangen.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle starrte ich ins Leere. In meinem Kopf herrschte totales Chaos. Warum saßen Mona und Bastian zusammen in der Eisdiele? Wieso hatte Mona mir nichts von dem Treffen erzählt? Wollte sie es vor mir geheim halten? Wer weiß, vielleicht hatten sich die beiden ja schon öfter dort getroffen. Jetzt, wo ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass sie ziemlich vertraut miteinander gewirkt hatten. Ein fieser Gedanke nach dem anderen schoss durch meine Gehirnwindungen.
Mona und Bastian … Bastian und Mona …
Vielleicht hatte er deswegen nicht auf meinen Brief reagiert …
Bastian mochte mich nicht mehr …
Stattdessen mochte er Mona …
Von der Rückfahrt mit dem Bus weiß ich nicht mehr viel. Ich glaube, ich stand total unter Schock. Zu Hause ging ich schnurstracks in mein Zimmer, ließ mich wie ein nasser Mehlsack in meine Hängematte fallen und schloss die Augen. Am liebsten wäre ich einfach eingeschlafen, dann hätte ich wenigstens nicht mehr nachdenken müssen. Aber wahrscheinlich hätte mich das Bild von Bastian und Mona sogar bis in meine Träume verfolgt. Konnte es wirklich sein, dass sich Bastian und Mona heimlich trafen? Aber welche andere Erklärung gab es?
Ich seufzte. Es kam mir so vor, als würde mein Kopf jeden Moment platzen. Ich konnte einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen. Da fiel mir plötzlich etwas ein. Etwas, das mir vielleicht weiterhelfen könnte. Ich kletterte aus der Hängematte, griff nach meinem Rucksack und holte Monas Tagebuch hervor. Dann ließ ich mich aufs Bett fallen und starrte den abgegriffenen Einband an.
Lesen für Unbefugte verboten!
Monas schnörkelige Buchstaben bohrten sich in mein Gehirn. Sollte ich das Buch wirklich aufschlagen? Ich kaute auf meiner Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Eigentlich war es ja das Letzte, fremde Tagebücher zu lesen. Wenn Mona das herausbekam, würde sie nie wieder ein Wort mit mir reden. Andererseits – wie sollte sie es herausbekommen? Sie saß ja gerade vor dem
Venezia
und futterte einen riesigen Erdbeerbecher mit
meinem
Freund. Wenn das nicht das Letzte war, dann wusste ich auch nicht. Bei dem Gedanken wurde ich so wütend, dass ich am liebsten laut geschrien hätte. Stattdessen atmete ich einmal tief durch und klappte das Tagebuch auf. Mona hatte Seite um Seite mit ihrer ordentlichen Schrift gefüllt, und ich begann irgendwo in der Mitte zu lesen.
Heute Morgen hatte Pinki überhaupt keinen Appetit. Als ich sie füttern wollte, hat sie sich in eine Ecke verkrochen und mich keines Blickes gewürdigt. Dabei frisst sie sonst immer wie ein Scheunendrescher. Hoffentlich wird sie nicht krank …
Ich übersprang den Absatz. Pinkis Fressgewohnheiten
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