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Verrückte Lust

Verrückte Lust

Titel: Verrückte Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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vorbeugte, mit blitzenden Augen ihr Gesicht hob und beim Lachen die perlweißen Zähne sehen ließ, so glatt, so ebenmäßig. Die Hand, die sie zum Gruß ausgestreckt hatte, blieb in der großen, behaarten Pranke, die sich darum geschlossen hatte. Sie war darin eingespannt wie in einen Schraubstock. Und dann bemerkte er, daß sie sich befreien wollte – doch der andere wollte seinen Griff nicht lockern.
    Plötzlich schlug sie mit der freien Hand zu. Unwillkürlich ließ der Mann sie los. Sein Gesicht lief rot an.
    Jetzt, dachte er, wird sie doch aufstehen und herkommen.
    Zugleich fragte er sich, wie oft ein solche Szene wohl vorkam.
    War so ein Schlag ins Gesicht tatsächlich ein Ausdruck der Mißbilligung? Er wartete. Er wartete auf ein Zeichen des Erkennens. Doch ihr Blick glitt stets über ihn hinweg. Nicht einmal durch die kleinste Andeutung ließ sie erkennen, daß sie sich seiner Anwesenheit bewußt war. »Du lieber Himmel!«
    murmelte er. »Hat sie mich etwa nicht gesehen?« Unmöglich!
    Sie hatte ihn doch angesehen, sie war auf ihn zugekommen, und dann war dieser große Affe aufgestanden und hatte sie abgefangen. Und wie sie ihn angesehen hatte! Was für ein Blick! Plötzlich schoß ihm ein schwarzer, schrecklicher Verdacht durch den Kopf. Nein, das war zu absurd – er verwarf ihn gleich wieder. Sie hatte ihn gesehen, dessen war er sich sicher. Hinter diesem Spielchen steckte irgendein vernünftiger Grund, irgendeine Absicht, die ihm später enthüllt werden würde. Er verstand nur zu gut, welcher Täuschungen sie sich bedienen mußte. Was für Komödien sie gespielt hatten, sie beide! Manchmal, wenn er diese aberwitzigen Situationen vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen ließ, fiel es ihm schwer, die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit zu ziehen. Bislang – und dies war ein tröstender Gedanke – hatten sie immer miteinander gespielt, einer des anderen Widerpart sozusagen. Er beobachtete sie, wie man, in der Seitenkulisse stehend, eine Schauspielerin beobachten würde. Sie saß da und redete mit diesem Idioten und umwickelte ihn
    höchstwahrscheinlich mit ihrem Netz aus Falschheit und Täuschung. Was sagte sie zu ihm? Was für Lügen erzählte sie ihm? Wie offen und aufrichtig ihr Lächeln war – und doch war es nur ihr Mund, der lächelte. Was für eine geborene
    Schauspielerin seine Frau war! Eine regelrechte
    Verstellungskünstlerin… Je länger er sie beobachtete, desto mehr freute er sich. Es war die Freude eines Kindes, das ein kompliziertes Spielzeug zerlegt.
    Sie war jetzt schöner denn je. Wie eine Maske, die lange verborgen gehalten worden war. Eine Maske oder die Maske einer Maske? Bruchstücke rasten durch seine Gedanken,
    während er die Widersprüche ihres Wesens in eine
    harmonische Ordnung brachte. Plötzlich bemerkte er, daß sie zu ihm hersah. Eine Beziehung, wie die Lebenden sie zu den Sterbenden herstellen. Sie erhob sich und ging auf ihn zu wie eine Königin auf ihren Thron. Seine Glieder zitterten, er war überwältigt von einer Welle der Dankbarkeit und
    Selbsterniedrigung. Er wollte auf die Knie sinken und ihr stammelnd dafür danken, daß sie sich herabließ, von ihm Notiz zu nehmen.
    Ihr warmer, duftender Atem erfüllte ihn mit Schrecken und Freude. Ihre tiefe, begierige Stimme, volltönend und bebend, zerschmetterte ihn wie ein Gewirr gedämpfter Akkorde.
    Während sie sich übertrieben entschuldigte, schlug er die Augen nieder, als wollte er die Verwirrung, die sich dort ausgebreitet hatte, auslöschen.
    »Dann hast du mich also gesehen, als du hereingekommen bist?« fragte er, noch immer etwas beschämt. Er benahm sich wie ein Liebhaber, der zu einem geheimen Stelldichein
    erscheint.
    »Dich gesehen?« fragte sie. »Was meinst du damit?«
    »Du hast mich nicht gesehen…?«
    »Dich nicht gesehen?«
    Ihre Verwirrung war verwirrend. Die Maske einer Maske.
    Sphinx und Chimäre, in einem proteischen Akt vereint. Das Rätsel blieb ein Rätsel, das Rätsel verwandelte sich in einen Gladiator, der einen Tisch massakrierte, in einen Automaten mit steinernem Gesicht, mit den Lungen eines Gorillas und einem Blasebalg in den Eingeweiden. »Hildred!« brüllte er.
    »Hildred!« Eine Stimme wie das Gähnen eines Löwen,
    klaffend, der rote Mund vollgestopft mit Rhododendren.
    »Den mach ich fertig«, sagte Hildred. Sie sprang auf, mit weißglühender Wut. Ihre Finger zuckten, als wären sie bereits dabei, den roten Mund bis zu den Ohren aufzureißen.
    Er hämmerte noch immer auf den

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