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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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Roshni, wie sie mich um dieses Zuhause beneiden, dieses Leben, wie sie mich beneiden, denn ich habe die lieblichste aller Lieblichen im ganzen Land bekommen. Ihre Augen werden zu Wasser, wenn sie eintreten, um von Sheela begrüßt zu werden. Sie können nur seufzen und ihre Bewegungen beobachten und wieder seufzen. Sie sprechen über das neue Einkaufszentrum, und ich kann ihren Worten nicht folgen. Sie weiß Bescheid, sie muß Bescheid wissen; ich habe mich aufgespielt, eine Schau abgezogen, versucht, das Gesicht zu wahren. Sheela etwas befehlen? Dieser gebieterische Ton. Hündin von einer Frau! Gott, vergib mir. Sheela, vergib mir! Sie kommt mit Tee und Kuchen. Lächelt Roshni an, lächelt Ahmad an. Jetzt sieht sie mich an. Ich schrumpfe vor ihr zusammen, trockne aus, sterbe, und sie weiß es. Sie weiß es. Sie lächelt mit dem Mund, doch ihre Augen lächeln nicht, ihre Augen sehen mir beim Sterben zu, beobachten mich beim Sterben. Augen wie Kohlestücke. Gott, hilf mir, was habe ich getan? Heute abend werde ich sie schlagen. Ich werde sie wiederhaben, so, wie sie noch vor einigen Minuten war, vor einer halben Stunde, heute morgen, in den letzten Monaten. Meine liebliche, zärtliche Sheela muß zurückkommen. Sie kennt meine Gedanken. Ihre Kohlenaugen sagen niemals, niemals.
    Vor zwei Stunden war der Adrenalinstrom abgeschnitten, aus. Auch Guffy. Ich habe gesehen, wie es bei ihm passierte, wahrscheinlich hat er gesehen, wie es bei mir passierte. Er sieht abgestumpft aus, wie er da in diesem Ledersessel hängt, sich mit ihm vermischt wie eine Mumie. Stuart macht mit Huntison weiter, immer weiter, flüsternd. Vermutlich könnte ich es hören, wenn ich mich einen Scheißdreck dafür interessieren würde. Ich will nur schlafen. Stuart brüllt, und ich hebe den Kopf ein wenig, nur für den Fall, daß er mich anbrüllt. Tut er nicht.
    »Was will dieses Arschloch?«
    »Einen Blankoscheck Sir.«
    »Herr im Himmel! Galstone, wo will er ihn denn einlösen und wozu?«
    Ich ziehe mich hoch und versuche zu erkennen, über welches Arschloch er in diesem Moment spricht. Glühendheiße Feuerräder sausen mir den Rücken hinunter, an den Beinen entlang, hinter die Augen. Welches Arschloch? Horstmann? Wahrscheinlich.
    »Ein Verteidigungspakt in allernächster Zeit. Und das Erneuerungsprojekt, auf das er seit einem Jahr hinarbeitet.« Was noch? Einen Richter? Wenn nicht jetzt, dann wird er ihn morgen wollen. Das füge ich hinzu.
    »Gib ihm, was er will«, sagt Stuart. Wann schläft er eigentlich? Ist er überhaupt menschlich? Er ist so lange wie wir alle bei der Sache, hat die Masse bei jedem Zug hinter sich, bei jeder Wahl, und er sieht gut aus, richtig gut. Er wird also Horstmann einen Blankoscheck geben und seine Stimme und noch ein paar andere bekommen, genug. Jetzt können wir ins Bett gehen. Vielleicht schießt jemand Horstmann eine Kugel durch den Kopf, bevor er ihn einlösen kann.
     
    Der Gedanke bedeckte die Erde und alle, die sich darauf befanden. Der Gedanke war unendlich und zeitlos. Da war ein Junge, der einem Mädchen erklärte, warum er ihm nicht ausdrücklich sagen konnte, daß er sie liebe, weil es zu abgeschmackt war; da war ein Eskimo, der drei Dutzend geschnitzter Polarbären ablieferte und seine Bezahlung von achtzehn Dollar erhielt; da war ein Bergmann, dem der Schweiß übers Gesicht rann und der einem jüngeren Mann erklärte, wie man am besten süße Kartoffeln anbaute; da waren philosophische Gespräche in Cafes und Bars, religiöse Diskussionen in Wohnzimmern und Hörsälen, eine Frau, die zwei kleinen Kindern etwas vorlas, während diese sich nicht zu bewegen wagten, um den Zauberbann nicht zu brechen; ein Mädchen, das versuchte, sich mit einem Lockenstab die Haare aufzudrehen, und sich die Wange verbrannte; eine Frau, die ein Mikroskop scharf einstellte, daneben ein Unterwasseratemgerät; Knaben, die in Bali etwas in einen Baum schnitzten, ein Mann, der in Tokyo einen Toyota kaufte. Da war Musselman, der sich einen Plan für die nächste oder die nächsten beiden Wochen zurechtlegte, und da war Lauren, die süß schlummerte. Sie träumte von Segelbooten, die sich in Vögel verwandelten und in einen dramatischen Sonnenuntergang flogen. Sie verwandelte sich ebenfalls in einen Vogel und flog mit ihnen, so voller Freude, daß sie die Freude war. Da war Bill Bentson, der mit dem Kopf auf den Armen in seinem Labor eingeschlafen war; und da war Rich Steinman, der mit seiner Frau im Bett lag und Angst hatte,

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