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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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Restaurant voneinander verabschiedeten, war er zerknirscht und verstört; sie war plötzlich erleichtert, daß sie ihm nun doch nicht alles erzählt hatte.
    »Ich bin nicht immer ein solcher Tolpatsch«, sagte er wie zur Entschuldigung. »Ich rufe Sie heute abend an, einverstanden?«
    »Sicher«, sagte sie. Sie gaben sich förmlich die Hände, und sie machte kehrt, um zu Fuß zu ihrem zwei Blocks entfernten Büro zu gehen.
    Er sah ihr noch einige Sekunden lang nach, dann entfernte er sich in die andere Richtung, und hinter der nächsten Ecke wartete sein Kollege, Edgar, auf ihn.
    »Nun?« sagte Edgar, nachdem sie einen oder zwei Blocks weiter waren.
    »Halt den Mund!« schnauzte ihn Morris an.
     
    Das Problem bestand darin, wurde Corky eine Weile später klar, daß er auf Morris eifersüchtig war. Er hatte alles, was Corky nicht hatte. Er war einsneunzig groß und muskulös, schlank und wundervoll gebaut. Seine Wohnung, wo er zunächst hinging, um sich umzuziehen, zeugte von Wohlhabenheit, ja Luxus. Eine Musikanlage füllte eine ganze Wand; die Küche war mit einem Mammutmikrowellenherd ausgestattet; es gab ein Wasserbett, eine Jacuzzi-Wanne im Badezimmer, eine Wand mit ledergebundenen Büchern. Vielleicht ungelesen, aber unheimlich eindrucksvoll. Der Junge hatte es geschafft, dachte Corky; sein Vater konnte stolz auf ihn sein. Morris nahm nichts von der ganzen Wohnung wahr, während er in andere Kleidung schlüpfte. Er kochte innerlich immer noch und fragte sich, was eigentlich schiefgelaufen war. Heute abend, sagte er bedeutungsvoll zu seinem Spiegelbild. Heute abend, verdammt!
    Corky schwebte nebenher, als sich Morris zur Rechtsanwaltskanzlei Wescombe, Carmichael, Straus und Pitts begab. Er floß in die anderen Anwälte und blieb lang genug bei Wescombe, um zu erfahren, daß dieser im Zweiten Weltkrieg beim OWI, dem Büro für Kriegsinformation, gewesen war und danach einige Jahre für die CIA gearbeitet hatte; dann war er nach Seattle gekommen, um die Firma zu gründen. Washington hatte sich an der Schwelle zum Atomzeitalter befunden, und dieser Staat war prädestiniert für die Fluggeräteproduktion; hier wurde jemand gebraucht, und Wescombe wurde auserwählt. Der alte Mann, der jetzt in den Siebzigern war, hatte viele Jahre lang nichts mehr für sein Land getan, außer daß er Morris Pitts als Juniorpartner aufgenommen hatte. Er wußte, daß Morris in erster Linie für die Regierung arbeitete und erst in zweiter für die Firma, aber das war ihm recht so. Er bedauerte nur, daß Morris niemals, wirklich kein einziges Mal, irgendeinen Hinweis auf seine vordringlichen Pflichten gab, sofern er überhaupt je etwas tat. Das störte den alten Wescombe schon ganz erheblich, daß Morris möglicherweise wirklich nicht mehr arbeitete, als das, was er dem Schein nach für die Firma tat. Einige Male hatte er die Voraussetzungen für eine vertrauliche Plauderei geschaffen, bei exquisitem Essen, in seinem Club, und er hatte sogar von seiner Tätigkeit beim Geheimdienst erzählt, wenn auch natürlich nur sehr oberflächlich. Morris war nicht darauf eingegangen, ja, er hatte sogar einen gelangweilten Eindruck gemacht. Jetzt beobachtete der alte Wescombe mit Interesse sein Kommen und Gehen und rechnete nicht mehr damit, die verdammteste Kleinigkeit zu erfahren.
    Morris befand sich in seinem Büro, üppig ausgestattet mit Kirschholz, grünem Leder und einem dunklen, samtroten Teppichboden, und er legte sich seine Strategie zurecht. Es ärgerte ihn, daß er sich für etwas so Einfaches, wie eine Frau ins Bett zu bekommen, eine Strategie zurechtlegen mußte, aber irgendwie war der Wurm in dieser ganzen Sache, und von jetzt an, beschloß er, würde er sehr behutsam vorgehen und besser im voraus planen. Ihr Charakterbild verriet, daß sie unterdrückt war, gehemmt, schüchtern, kontaktscheu und sozial unangepaßt, also reif zum Pflücken, wenn man nur richtig vorging. Und er wußte, daß er unwiderstehlich war, deshalb mußte sich das Glück zur Zeit gegen ihn verschworen haben; dem Glück half man mit gewissenhafter Planung nach. Heute abend, das gelobte er sich, würden sie zusammen auf seinem luxuriösen Wasserbett herumtoben oder auch in ihrem eher kargen kleinen Apartmentbett, aber toben würden sie! Er kannte Frauen wie Lauren – einmal geschickt rumgekriegt, für immer gewonnen. Er könnte sie auswringen wie einen nassen Lappen, sie würde sie zu Corcoran führen, alles tun, was man von ihr verlangte, bis er sie wieder in die

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