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Verschärftes Verhör

Verschärftes Verhör

Titel: Verschärftes Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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das Telefon abhören?« Er zweifelte nicht daran, dass sie Irenes Anschluss angezapft hatten. Darum war er auch zu dem Deutschen gegangen. Andererseits setzte er darauf, dass die alten Regeln noch galten und Morrow, wenn überhaupt, inoffiziell und heimlich abhörte. Sollte aber eine andere Einrichtung wie die NSA die Sache übernommen haben, wäre Harry machtlos.
    Irene schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn der Junge noch einmal anruft, soll ich herausfinden, wo er ist, und Dick Bescheid geben. Ich soll ihm sagen, dass er auf dich warten und bleiben soll, wo er ist.«
    Harry holte Heinrichs Schachtel aus der Tasche. »Du musst das hier bei dir installieren. Bei mir zu Hause nützt es nichts. Du hast doch gesehen, wie es geht. Eigentlich ist es ganz einfach.«
    Irene nahm die Schachtel und legte sie neben Umschlag und Schlüssel auf die Arbeitsplatte. Jetzt konnte Harry nur noch hoffen, dass ihr Hass auf Morrow den Ausschlag gab.
    »Hier kannst du mich erreichen.« Er gab ihr eine Visitenkarte des Motels, auf die er seine Zimmernummer gekritzelt hatte.
    Irene betrachtete ihn und trank noch einen Schluck Wein.
    »Eins möchte ich klarstellen«, sagte sie schließlich. »Wenn ich das mache, dann nicht für dich.«
    »Damit hatte ich auch nicht gerechnet.«
Marokko
    »Kein guter Ort für amerikanische Lady«, wiederholte der Taxifahrer, diesmal auf Englisch. Offenbar dachte er, Kat hätte seine früheren Warnungen nicht verstanden.
    Sie hielt ihm zehn Euro hin. »Wenn Sie warten, bekommen Sie noch mal zwanzig.« Sie öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Erst als sie das gewaltige Eisentor und den zerfallenen Koloss von Ain Chock vor sich sah, begriff sie, wie wahnsinnig ihr Unterfangen war. Die Angst traf sie wie ein Schlag.
    Sie hätte nicht herkommen dürfen. Wenn sie jetzt kehrtmachte, konnte sie es noch rechtzeitig ins Hotel schaffen. Morgen würde sie Kurtz diplomatisch geschickt die Hilfe verweigern, wie sie es schon am Nachmittag getan hatte, als sie ihre Ansichten über den jungen Mann in der Lederjacke für sich behalten hatte. Irgendwann würde Kurtz vielleicht zu dem Schluss gelangen, dass Jamal bei der Überfahrt gestorben war. Damit wäre die Sache erledigt.
    Der Taxifahrer nahm ihr die Entscheidung ab. Sie wollte sich gerade umdrehen, als der Wagen mit quietschenden Reifen um die nächste Ecke verschwand.
    Kat sah dem Taxi nach. Um diese Zeit zu Fuß durch die Stadt zu laufen wäre Selbstmord. Die Mauern von Ain Chock waren ihre einzige Hoffnung. Sie richtete ihr Kopftuch, schob die Haare unter den blauen Stoff, zog den Knoten unter dem Kinn fest und trat durch das Tor.
    In den engen Durchgängen erhellten vereinzelte Feuer die Dunkelheit. Die meisten Bewohner von Ain Chock lagen in tiefem Schlaf, wie ganz Casablanca. Kat ging den Hauptweg entlang, als zwei Jungen aus dem Schatten auftauchten. Sie waren nicht älter als acht oder neun und hatten den verräterischen goldenen Ring der Süchtigen um den Mund.
    »Schwester!«, riefen sie wie aus einem Mund. Ihre Heiligenscheine waren noch frisch; sie hatten sich mit Farbdämpfen berauscht, und ihre Augen waren wilde Kreise, die hektisch durch die Dunkelheit tanzten.
    Einen besseren Führer würde sie um diese Zeit kaum finden. Daher steckte sie jedem Jungen eine Euromünze zu. »Ich suche einen älteren Jungen. Viel älter als ihr. Ich habe ihn heute hier gesehen. Er hatte blaue Jeans und eine Lederjacke an.« Sie versuchte, die aggressive Körperhaltung des jungen Mannes nachzuahmen.
    Die beiden lachten, es waren doch noch Kinder. Irgendetwas musste aber zu ihnen durchgedrungen sein, denn sie schauten sich an und erklärten einstimmig: »Mahjoub!«
    »Wohnt der hier?«
    Die Jungen kicherten. »Ja«, antwortete der Größere.
    Kat holte zwei weitere Münzen aus der Tasche und zeigte sie ihnen. »Bringt mich zu ihm«, sagte sie und schloss die Faust um das Geld. Sie mussten es sich erst verdienen.
    Die beiden schauten einander an, verständigten sich schweigend und eilten dann voran. Sie blieben stehen und schauten sich zu Kat um, winkten sie heran.
    Kat hielt inne. Sie war erst wenige Meter gegangen, konnte das Tor aber schon nicht mehr sehen. Wagte sie sich weiter vor, würde sie nicht ohne fremde Hilfe hinausfinden.
    »Hier entlang, Schwester«, rief der kleine Junge. Sie sah nichts als die Aureole um seinen Mund, die im Dunkeln leuchtete, und das Weiß seiner Zähne und Augen. »Komm! Komm!«, rief er jetzt auf Englisch.
    Nun war sie ihnen auf Gedeih und

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