Verscharrt: Thriller (German Edition)
Nebel. Ist wahrscheinlich auch besser so. «
» Pizza « , sagt Marla.
» Haben Sie Hunger? «
» So heißt die Frau. Pizza Denikov. Ich hab gehört, dass sie einen alten Mann in Florida ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans. Sie wohnt in Union City. Haben Sie einen Bleistift? Dann gebe ich Ihnen die Adresse. «
KAPITEL 53
Union City ist dank der Nähe zur Innenstadt, den niedrigen Mieten und der dort herrschenden Anonymität ein Paradies für Verbrecher, ähnlich wie im Mittelalter die Wälder im Umkreis einer Festung. In den verstopften Straßen parken zu wollen, wird zum Albtraum, ganz besonders samstags, und weil man nie so genau weiß, ob man nicht doch von einem Cop aus Jersey mit Prass auf das NYPD spaßeshalber abgeschleppt wird, fährt O’Hara lieber zwanzig Minuten im Kreis, als sich vor einen Hydranten zu stellen.
Die Adresse, die sie Marla entlockt hat und die diese wie eine Fünfjährige in Druckbuchstaben auf ein Stück Zeitungspapier notiert hat, befindet sich in einer Straße mit trostlosen Zwei- und Dreifamilienhäusern. Eine heisere Stimme bellt durch die Sprechanlage, dann geht im dritten Stock eine Tür auf. » Pizza « , ruft O’Hara.
» Wer ist da? «
» Darlene O’Hara, NYPD . Ich muss mit Ihnen sprechen. «
Oben auf der Treppe zeigt O’Hara ihre Dienstmarke. Während sie noch zu Atem kommt, versucht sie festzustellen, ob die Frau im Türeingang die mit den Pickeln ist, von der Sollie und die Skater erzählt haben. Sie ist zierlich und trägt einen dunklen Rock. Sie ist nicht unattraktiv, und obwohl sie ein paar wenige Aknenarben hat, scheint ihre Haut an diesem Vormittag nicht auffallend unrein. » Kommen Sie « , sagt Denikov, » fühlen Sie sich wie zu Hause. «
In der Wohnung gibt es keine Teppiche, keine Bilder, keine Vorhänge. Die wenigen Möbel könnten in einer Stunde verladen werden. Trotzdem scheint die Gastfreundschaft aufrichtig. Wenig später sitzt O’Hara an einem nackten weißen Tisch, und Denikov setzt ihr eine dampfende Pappschale vor. In der rötlichen Brühe schwimmt ein Stück Maiskolben, eine Karotte und ein Brocken Fleisch.
» Ein einfacher Boyash « , sagt Denikov. » Ein Eintopf, aber wir verfeinern ihn gerne noch ein bisschen. « Sie schiebt ein Tablett mit geheimnisvollen Gewürzen über den Tisch.
O’Hara schlägt alle Bedenken in den Wind und probiert. Der Eintopf schmeckt wie angekündigt schlicht, tut ihrem kratzigen Rachen aber gut. Aus einer Zimmerecke dringt der Lärm einer Schießerei. Ein Junge von ungefähr dreizehn Jahren liegt vor einem großen Fernseher auf dem Bauch. Er trägt ein Headset und fingert an einem Joystick herum. Auf dem Bildschirm sind Bilder aus einem städtischen Guerillakrieg zu sehen, Soldaten kämpfen sich Haus für Haus weiter. Neben ihm liegt eine akustische Gitarre.
» Giuseppe spielt mit seinen Freunden am Telefon « , sagt Denikov.
» Ein gut aussehender junger Mann « , sagt O’Hara. » Ihr Sohn? «
» Mein Enkel. «
» Ich nehme an, er geht nicht mehr in die Schule. «
» Entscheiden Sie sich « , sagt Denikov, während sie sich eine Menthol 100 ansteckt. » Sind Sie von der NYPD ? Oder vom Jugendamt? « Hinter ihr betritt ein Mann Anfang dreißig die Küche, schöpft Eintopf in eine Schale und kehrt dorthin zurück, wo er herkam.
» Und der? «
» Das ist Juice, mein Sohn. Giuseppes Vater. Er sitzt den ganzen Tag in seinem Zimmer und schluckt Vicodin. Es macht mein Herz traurig. «
» Eine Hellseherin namens Miss Marla hat mir Ihren Namen gegeben. «
» Ach, wirklich? Und wie geht’s Marla? «
» Wie sonst auch, denke ich. «
» Bescheißt sie immer noch die Leute in ihrem kleinen offisa in der Clinton Street? Und arbeitet die Bucklige noch für sie? «
» Ja. Marla hat mir gestern Abend aus der Hand gelesen. Und festgestellt, dass auf meinem Geld ein Fluch liegt, der ganz schnell beseitigt werden muss. «
» Kann ich mir vorstellen « , sagt Denikov. Ein Grinsen breitet sich über ihr nachdenkliches Gesicht.
» Dann hab ich in meinem kleinen offisa im siebten Revier in ihre Zukunft geschaut, und da sah es genauso wenig rosig aus. «
» Jedenfalls so lange, bis sie meinen Namen rausgerückt hat. Nur mal so aus Neugier, was hat die fette alte Lügnerin denn über mich erzählt? «
» Hauptsächlich Gutes. Sie dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen. Ich arbeite am Fall eines alten Mannes, der tot in seiner Wohnung am Stadtrand von Sarasota gefunden wurde, und dem eines Jungen, der tot im
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