Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
Klienten, der länger dauern könnte. Leider habe ich nicht gut genug aufgepasst. Gerda hat sehr aufgeregt geklungen, kein Wunder. Okay, Mira, beweise jetzt, dass du ganz anders bist als dieser Doktor, Eifersucht kann kein Thema sein, ruf diese Angelika Beer an. Oskar hat mir vor ein paar Tagen für alle Fälle auch ihre private Telefonnummer gegeben. Ob sie weiß, mit wem sie spricht, wenn ich mich mit Mira Valensky melde? Oder soll ich gar nicht sagen, wer ich bin, sondern nur, dass sie Gerda zurückrufen soll, dass es sich um einen Notfall handelt? Sei nicht kindisch, es würde herauskommen. Extrem peinlich, so etwas. Aber auch Angelika Beer hebt nicht ab. Oskar hebt nicht ab, sie hebt nicht ab … Würde man doch zur Eifersucht neigen, könnte man aufgrund einer gewissen Vorgeschichte auf Ideen kommen …
Unsinn, Angelika Beer wird bei ihrer großen Liebe im pur sitzen. Eigentlich habe ich noch Hunger. Die Pizza war nicht besonders groß, und aus ernährungstechnischen Gründen habe ich mich für die mit Ruccola und Paradeisern entschieden. Dass da gar kein Käse drauf ist, habe ich ja nicht ahnen können. Halb elf, wo bekommt man noch etwas zu essen? Im pur sicher, zumindest an der mondänen Bar gibt es Küche bis zwei, drei in der Früh. Und so weit ist das Lokal auch nicht entfernt, mit dem Auto beinahe ein Katzensprung. Ja, ich habe Lust auf eine köstliche, gestylte Kleinigkeit. Warum soll ich allein daheim versauern, nur weil Oskar etwas Besseres zu tun hat? Außerdem ist es vielleicht wirklich an der Zeit, mit dieser Anwältin zu plaudern – vorausgesetzt, sie ist überhaupt im Lokal ihres Freundes, wo sie hingehört, und hat nicht auch anderweitig Besseres zu tun.
Ich fahre durch die halb leeren Straßen Wiens, alle, die es sich leisten können, sind im Juli und August anderswo, am Meer, in den Bergen, was weiß ich. Ich mag Wien im Sommer, wenn es vor Hitze bäckt, was dieses Jahr jedoch entschieden nicht der Fall ist. Die letzten Tage waren wolkenverhangen und so kühl, dass Pessimisten schon vom Herbst reden. Vor mir schiebt sich ein dicker Geländewagen aus einer Parklücke. Wer braucht in Wien schon einen Geländewagen? Angeber, aber Glück gehabt, Mira Valensky, von da sind es nur noch zwei, drei Minuten zu Fuß bis zum pur.
Etwas Herzklopfen habe ich doch, als ich alleine das Szenelokal betrete und mich umsehe. Aber die meisten Menschen haben ohnehin genug mit sich selbst und ihrer Begleitung und dem Essen zu tun. Niemand achtet auf mich, und so arbeite ich mich von der ewig langen neonbeleuchteten Bar vor zum Restaurant, einmal an allen Tischen und Nischen vorbei und wieder zurück. Keine Angelika Beer. Jacques Lang hingegen steht an einem Tisch und spricht mit Gästen. Mir ist lieber, er sieht mich nicht. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger mehr. Andererseits, wenn ich schon einmal da bin … – Wo ist Oskar? Wo ist diese Anwältin? Ich wähle erneut Oskars Nummer, wieder nur die Stimme, die mir mitteilt, dass der Teilnehmer momentan nicht zu erreichen ist.
Ein Ober führt mich währenddessen stumm, aber bestimmt zu einem der kleinen Tische hinter der Bar und legt mir die Speisekarte hin. Offenbar ist man hier dauertelefonierende Single-Gäste gewohnt. Okay, entschieden. Ich bestelle das Steinbuttfilet auf Apfel-Galgant-Chili mit Kartoffelstroh und werde nicht enttäuscht – einfach köstlich. Zwei Gläser trockenen Riesling dazu, und der Abend wird doch noch ein Fest, mein Fest eben, basta.
Als ich nach Mitternacht erneut die Stufen zu meiner Wohnung nach oben klettere, denke ich schon kaum mehr daran, wo sich Oskar und die Anwältin herumtreiben könnten. Ich sperre auf, stelle irritiert fest, dass jemand in der Wohnung ist. Oskar. Vor dem Fernseher eingeschlafen. Und jetzt plötzlich weiß ich wieder, was wir vereinbart haben. Wenn es mit seinem Klienten nicht allzu lange dauern würde, käme er einfach noch bei mir vorbei.
Er wacht auf, bevor ich überlegen kann, was ich tun soll. Er gähnt, lächelt mich an, meint, er habe mich nicht erreicht, wo ich denn gesteckt hätte?
»Mit Vesna in einem kleinen italienischen Restaurant.« Und noch bevor ich ihm von Gerdas Anruf berichte, erzähle ich ihm von der Verfolgungsjagd im Park.
Als wir schließlich Gerda zurückrufen, ist es halb zwei, und einmal mehr lande ich auf einem Anrufbeantworter.
[ 4 ]
Vesna spioniert einem untreuen Ehemann nach, ausgerechnet! Den Fall mit den Medikamentendiebstählen hat sie übrigens gelöst, und sie
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