Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
Ganze peinlich, andererseits: Warum sollte Vesna gratis arbeiten?
»Wenn das reicht? Großartig, danke.«
»Aber ich kann nicht offiziell als Privatdetektivin ermitteln.«
Ich frage sie, was das für einen Unterschied macht.
»Praktisch keinen, man gibt sich so und so nicht zu erkennen üblicherweise, aber von Form her«, antwortet Vesna.
Ich räume ab, eile in die Küche, wer weiß, was die beiden in meiner Abwesenheit weiter aushecken, die Zucchiniwürfel sind zum Glück schon ganz weich. Ich salze etwas, püriere die Suppe mit dem Stabmixer. Sie ist schön cremig, ich muss sie nicht binden. Auf drei Teller verteilen, mit jeweils einem Löffel Sauerrahm vollenden.
»Wenn ich etwas herausfinde, das eine strafbare Handlung ist, werde ich es anzeigen«, erklärt Vesna. »Auch wenn es nicht gut für Sie ist.«
Gerda nickt. Ich stehe mit meinen Suppentellern da und fühle mich irgendwie ausgeschlossen. Vesna ermittelt – und was ist mit mir? Kindisch. Ich muss eben erst lernen, mit Vesnas neuem Beruf umzugehen. Die Suppe jedenfalls wird von beiden sehr gelobt.
»Was ist mit den Bildern in der Arztpraxis?«, frage ich, als wir fertig gegessen haben.
Gerda seufzt. »Das habe ich nur indirekt mitbekommen. Am Abend, an dem er diesen Brief an seine Mitarbeiter geschrieben hat, standen in unserem Vorzimmer plötzlich alle meine Bilder, die ich über Jahre hinweg für die Praxis gemacht hatte. Ihn habe ich nicht gesehen, ich habe ja schon in der Gästewohnung übernachtet. Und ich wollte ihn auch nicht fragen, wozu? Es war klar, er wollte meine Bilder nicht mehr und hatte sie abgehängt.«
»Ist das nicht etwas … rigoros? Jetzt sind die Wände leer«, sage ich.
»Ihr seid in der Ordination gewesen?«, fragt Gerda aufgeregt.
»Ja, und sie tun seltsamerweise so, als wäre dein Ex noch am Leben«, erzähle ich.
Gerda spielt mit ihrem Suppenlöffel. »Ich habe mit Dr. Weißgerber telefoniert, er will erst einmal die Ordination weiterführen, er ist ein sehr netter Mensch, auch wenn er mir gegenüber diesmal äußerst reserviert war. Wer weiß, was ihm mein Mann alles erzählt hat. In die Ordination habe ich mich noch nicht getraut, aber irgendwann werde ich eine Entscheidung treffen müssen, wie es weitergehen soll.«
»Momentan ist die Praxis in der Hinterlassenschaft«, gebe ich zu bedenken.
»Ja, und so lange sollte alles weiterlaufen wie bisher, wenn es möglich ist, hat Frau Dr. Beer gemeint. Dass die Sprechstundenhilfen niemandem etwas vom Tod … Wahrscheinlich wissen sie bloß nicht, wie.«
Ich bitte die beiden auf ein Glas zu mir in die Küche, während ich den Hauptgang vorbereite. So habe ich die Chance, am Gespräch dran zu bleiben. Was, wenn Gerda doch etwas mit dem Mord zu tun hat und jetzt Vesna um den Finger wickelt? Unsinn, seit wann ließe sich Vesna um den Finger wickeln?
Ich lege Bigoli, diese ganz dicken venetischen Spaghetti, ins kochende Salzwasser. Dann gieße ich etwas dunkles Sesamöl in den Wok und brate in dünne Scheiben geschnittene Zucchini an.
»Ich muss mit Ihren Kindern reden«, sagt Vesna zu Gerda. »Ist das in Ordnung? Wie geht es den Kindern?«
Gerda seufzt. »Natürlich haben sie einen Schock, aber sie sind bei meiner Schwester gut aufgehoben. Wir haben mit ihnen auch über alles geredet. Aber ich war so unter Druck, und dann das Verhör … Ich weiß es nicht wirklich.«
Ich gebe viel fein geschnittenen Knoblauch zu den Zucchini, röste beides weiter, schwinge den Wok.
»Sind die Kinder schon von der Polizei befragt worden?«, werfe ich ein.
»Ja. Sie sagen beide, sie wissen nicht, was ihr Vater beim Steinbruch wollte. Claudia hat am Nachmittag gemeinsam mit ihrem Andi gelernt, und Philipp sagt, er habe am Computer gespielt. Daheim. Allein. Ich war ja nicht da.«
Die Garnelen, die ich aus dem Tiefkühler genommen habe, sind schon fast aufgetaut, ich gebe sie in den Wok, etwas Sweet & Hot Sauce dazu, salzen, jetzt sind auch die Nudeln al dente, abseihen, in den Wok, alles kurz durchschwingen.
»Ich muss heim«, sagt Gerda unvermittelt. »Ich darf jetzt nicht an mich denken, ich muss zu Philipp und Claudia.«
Ich sehe sie an und bin feinfühlig genug, um kein Wort über den dritten Zucchini-Gang zu verlieren.
»Danke«, sagt Gerda, als sie geht. Es ist fast wie eine Flucht.
Vesna schließt die Türe. »Genau das hat sie beim Kommen auch gesagt. – Es ist unwahrscheinlich, dass Scheidung und Mord nicht zusammenhängen.«
»Oder jemand hat die Scheidung benutzt, um
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