Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
Hofer.
»Da sind doch immer diese Bilder gehangen«, sage ich und deute auf die leeren Wände.
Der Mann nickt. »Er hat sie alle abgenommen, hat mir eine der Sprechstundenhilfen erzählt. Sie sind von seiner Frau, sie hat ihn betrogen, das muss ihn sehr getroffen haben.«
»So sieht es irgendwie … kahl aus. Da hätte er doch warten können, bis er neue Bilder hat.«
»Er muss richtiggehend ausgeflippt sein und hat alles entfernt, was an sie erinnert hat. Eigentlich ist er ein ruhiger und besonnener Mensch. Hat sich aus ganz kleinen Verhältnissen emporgearbeitet, wie ich gehört habe. Sie soll ihn ziemlich lächerlich gemacht haben mit ihren Affären, leider kenne ich sie nicht, sie scheint ihm auch in der Praxis nie zu helfen.«
»Vielleicht hat sie einen eigenen Beruf«, erwidere ich.
»Ja, wer weiß. Wissen Sie, ob sie schon geschieden sind?«
»Keine Ahnung.« Ich nehme die Autozeitschrift und gehe wieder zu meinem vorherigen Platz, Vesna winkt mir vom Fenster her, ich nicke und trabe zu ihr. Als Vesna einen Blick der Sprechstundenhilfe aufschnappt, krümmt sie sich und drückt ihre Faust gegen den Magen. Besorgt ziehe ich einen freien Sessel her, und sie lässt sich darauffallen.
»Bosnische Frau meint, Dr. Hofer ist der beste Arzt, sie hat jemals gehabt. Hat auch ihre Mutter geheilt. Und was sie über Frau sagt, ist kurz: Frau soll bei ihrem Mann bleiben, sonst ist sie eine Hure, die verstoßen sein muss.«
Na super.
»Habe noch mit zweiter Frau geredet, ist Kroatin und hat Ohrenschmerzen. Sie sagt, Dr. Hofer hat ihr gratis Medikamente gegeben, die sie nicht hat bezahlen können. Ist ein Engel, der selige Doktor. Übrigens: Vor allem die Türken sind mit der Wartezimmertrennung sehr zufrieden, sie sehen es sogar als Bevorzugung, dass sie da eigenes Zimmer haben. Bosnierin, Kroatin, die sitzen wirklich alle freiwillig dort.«
Dann wird Vesna aufgerufen und verschwindet im Behandlungszimmer. Ich schlendere herum, aber es gelingt mir nicht, mit noch jemandem ins Gespräch zu kommen. Das Bild ist ohnehin klar: Seine Patientinnen und Patienten lieben und verehren ihn. Ich beobachte die Sprechstundenhilfen. Die ältere mit der strengen Kurzhaarfrisur telefoniert und sagt mit Nachdruck: »Nein, tut mir sehr leid, Frau Gebhart, ich kann Sie nicht mit Sicherheit für Dr. Hofer vormerken. Wir haben ein Computerproblem, ich kann nichts eintragen, aber ich rufe Sie an, sobald es gelöst ist. Ja, ich habe mir Ihren provisorischen Termin notiert, natürlich. Warum ich ihn nicht einfach in einen Kalender schreiben kann? Ohne Computer geht es nicht mehr, leider.«
Warum tun die Sprechstundenhilfen so, als wäre Dr. Hofer noch am Leben?
Dr. Weißgerber meint, Vesnas Bauchschmerzen seien eher psychosomatisch bedingt, aber um sicherzugehen, solle sie eine Magenspiegelung machen. Das ist Vesna nun doch zu viel, nur um mit ihm in engem Kontakt zu bleiben. Wann immer sie begonnen habe, über Dr. Hofer zu reden, sei er ausgewichen. Man könne freilich auch sagen: Er hat sich einfach auf ihren Magen konzentriert.
Oskar muss überraschend noch einmal nach Frankfurt, ich will ihn zum Flughafen bringen, aber das geht sich nicht mehr aus, er nimmt ein Taxi und will morgen oder übermorgen zurück sein. Wenn alles gut geht, hat seine Anwaltskanzlei gemeinsam mit der Partnerkanzlei in Frankfurt einen neuen interessanten und jedenfalls lukrativen Fusionsfall an Land gezogen.
Ich stehe in der Küche und überlege ein rasches Abendessen für drei. Vesna hat Gismo schwarze Oliven mitgebracht, Gismo stößt vor Begeisterung hohe, spitze Laute aus, sie ist einfach verrückt nach Oliven. Ich scheuche beide ins Vorzimmer. Jeden Moment muss auch Gerda kommen, sie hat um das Treffen gebeten, und wir sind natürlich neugierig, wie das Verhör gelaufen ist. Jedenfalls hat man sie nicht festgenommen.
Ich hatte keine Zeit, einkaufen zu gehen. Das Einzige, was ganz frisch ist, sind die vielen Zucchini von meiner Nachfolgerin in der Lifestyle-Redaktion. Sie hat gemeinsam mit ihrem Freund ein Haus außerhalb der Stadt, und momentan kann sie sich vor Gemüse kaum retten. Also ein Zucchini-Menü.
Ich nehme die kleinsten gelben Zucchini, schneide sie der Länge nach in ganz dünne Scheiben und lege sie auf große Teller. Dann mixe ich aus Olivenöl, Limettensaft, Salz, Zucker und Pfeffer eine Marinade, beträufle die Zucchini mit einem Teil davon, dann kommt hauchdünn geschnittener luftgetrockneter Schinken darauf und noch einmal etwas von
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