Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
selbstverständlich auch dort …«
»Was soll diese Trennung eigentlich?«, gehe ich dazwischen.
»Das ist nicht so, wie Sie vielleicht denken. Wissen Sie, wie viele Ärzte keine Ausländer mehr behandeln? Weil sie oft mit ihrer ganzen Familie kommen und sich die anderen Patienten dadurch gestört fühlen, vor allem ältere Damen. Und unsere ausländischen Patienten haben die Idee sehr positiv aufgenommen, alle sind zufrieden so. Wir zwingen natürlich niemand … Herr Dr. Hofer findet … Er hat immer gemeint, dass jeder Mensch, egal woher er kommt, das Recht auf eine gute medizinische Betreuung hat.«
»Wo ist er heute?«, frage ich. »Er ist doch üblicherweise hier.«
»Ich dachte, Sie sind keine seiner Patientinnen?«
»Wir haben bloß gesagt, dass wir keinen Termin haben.«
»Frau Krajner ist nicht in der Kartei. – Er ist eben nicht da. Wollen Sie bitte Platz nehmen?« Sie sieht aus, als würde sie jeden Moment losheulen.
Wir setzen uns ins große Wartezimmer. Warum verschweigt sie, dass Dr. Hofer auch nicht wiederkommen wird? Oder wissen es die anderen Patienten schon? Ich seufze eine gut gekleidete Frau um die sechzig an. »Das kann heute dauern, wenn Dr. Hofer nicht da ist.«
Sie sieht von ihrem Buch auf und seufzt ebenso. »Eigentlich wollte ich schon wieder gehen, als ich es gehört habe, denn ich will nur von Dr. Hofer behandelt werden, hoffentlich ist er nächste Woche wieder da. Aber ich brauche neue Medikamente. Wenn man in ein gewisses Alter kommt …«
»Dr. Hofer ist ein ausgezeichneter Arzt«, versuche ich das Gespräch zu lenken.
»Ja, ganz hervorragend und ein einfühlsamer Mensch. Wissen Sie, manche behandeln einen ja nur noch wie eine Nummer, aber er nimmt sich immer Zeit.«
Ich nicke und deute auf die leeren Wände. »Seltsam, da waren doch immer Bilder, oder?«
Sie seufzt. »Wissen Sie es nicht? Das ist eine traurige Geschichte. Er hat sich scheiden lassen, seine Frau … Nein, ich will lieber gar nicht darüber reden. Sie hat ihn so etwas von enttäuscht.«
Ich warte, ob mehr kommt, aber sie verstummt.
»Die Bilder … haben ihr gehört?«
»Ob sie ihr gehört haben? Das weiß ich nicht. Sie hatte das schönste Leben und hat eben auch gemalt und fotografiert, so als Hobby. Sehr talentiert, da sind überall solche Doppelbilder gehangen: Porträts, einmal als Fotografie und einmal gemalt. Manchmal für mich ein bisschen zu modern, aber sehr interessant.«
»Sie hat sie mitgenommen?«
»Sie will alles, sie will ihn ruinieren.«
»Woher wissen Sie das?«
»Man hört so einiges, wenn man so häufig hier sein muss wie ich, wissen Sie, mein Herz …«
Es folgt eine längere Abhandlung über Vorstufen zu Angina pectoris und deren Verwandte, der ich nicht ganz folgen kann.
»Dr. Weißgerber, der ist sehr lieb, aber zu alt, verstehen Sie? Dr. Hofer hat ihn nur beschäftigt, weil er ihm helfen will. Eigentlich ist er schon in Pension, aber er hat keinen Menschen, seit seine Frau bei einem Autounfall gestorben ist.«
Ich bemerke, dass Vesna aufgestanden und in den anderen Warteraum gegangen ist. Ich nutze das kurze Schweigen meiner Nachbarin, um ebenfalls aufzustehen und auf einem Tischchen nach einer Zeitschrift zu suchen. Wäre ganz sinnvoll, mit noch jemandem über Dr. Hofer zu sprechen.
Ich krame zwischen Ärztezeitschriften, einer schon etwas älteren Ausgabe des »Magazins« und einigen Frauenzeitschriften herum. Ein Mann in meinem Alter klappt eine Autozeitschrift zu und sieht unschlüssig auf den Zeitschriftenberg neben mir. Er sitzt weit genug weg von meiner ersten Gesprächspartnerin, also gehe ich rasch zu ihm hin und frage: »Sind Sie fertig? Kann ich die haben?«
Er sieht mir erstaunt ins Gesicht. »Die Autozeitschrift?«
»Ist mir um einiges lieber als irgendwelche Adelsgeschichten oder Gesundheitsmagazine«, lächle ich.
»Kann ich verstehen.«
»Heute dauert es aber. Wo Dr. Hofer wohl sein mag? Sonst ist er doch immer da«, sage ich.
»Stimmt, habe ich mir auch schon gedacht. Wir hatten einen Termin vereinbart, bei mir ist es nicht so einfach, aus der Firma wegzukommen. Aber ich brauche einen Befund für den Orthopäden, ich habe mir beim Sport die Bänder gerissen.« Er verzieht das Gesicht.
»In meinem Fitnessstudio sind sie da sehr vorsichtig«, erwidere ich, um das Gespräch in Gang zu halten.
»Wo sind Sie?«
»Im get.moving.«
»Schick, schick. Ich war mit einem Freund einige Male dort. Sehr gute Ausstattung.«
Ich muss zurück zu Dr.
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