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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verhoef & Escober
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ganzen Stapel fest zusammen.
    Der Delsey ging nur mit Mühe zu.
    In der einen Hand den Koffer, in der anderen – einen Finger in den Trageriemen gehakt – Susans Kulturbeutel, ging er in den Flur und zog die Wohnungstür auf.
     

69
     
    »Woher kennst du Sil eigentlich? Vielleicht täusche ich mich, aber ich kann mich nicht erinnern, dass er je von dir gesprochen hätte.«
    »Ich kenne ihn eigentlich kaum.« Joyce hatte einen der gepolsterten Stühle vom Esstisch neben das Bett gestellt. Mit angezogenen Knien saß sie da, nahm einen Bissen von ihrem Brot mit Schokoaufstrich und spülte mit einem Schluck starken Kaffee nach.
    »Kaum? Ihr macht aber den Eindruck, als würdet ihr euch schon ganz lange kennen.«
    Das Interesse, das Susan ihr entgegenbrachte, war aufrichtig, wie Joyce konstatierte. Sie stellte ihr die vielen Fragen nicht aus Eifersucht oder Argwohn, sondern weil sie klar denken konnte und ihre Intelligenz, gepaart mit einem starken Willen, dazu einsetzte, die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Das sprach für sie. Wenn sie schon jetzt so aufmerksam und hellsichtig war, ging es ihr nach einer Weile bestimmt wieder besser.
    Susan lag immer noch auf der Seite – aufrechtes Sitzen schmerzte zu sehr, meinte sie – und nahm gerade zum ersten Mal ein wenig feste Nahrung zu sich: ein Stück jungen Gouda auf einer Scheibe Vollkornbrot mit viel Butter. Sie kaute bedächtig, als müsste sie später den Geschmack auf das Genaueste beschreiben. Ihr Blick war unablässig auf Joyce gerichtet. »Und so eine Akte legt man doch auch nicht aus heiterem Himmel an, oder?«, fragte sie.
    »Nein. Da hast du recht. Aber ich fürchte, es ist eine etwas sonderbare Geschichte.«
    »Noch mehr sonderbare Geschichten?«
    Joyce zuckte entschuldigend mit den Schultern. Im Lauf der letzten halben Stunde hatte sie Susan zu erklären versucht, wer sie war und warum sie bei der Kripo angefangen hatte, hatte ihren Frust über Sexsklaverei im Allgemeinen und Maxims Bordell im Besonderen zur Sprache gebracht und die geheime Akte erwähnt, die sie über Sil angelegt hatte. Hatte von den auf der Arbeit unterschlagenen Fotos erzählt, auf denen sie Susan erkannt hatte, woraufhin die Ereignisse sich überstürzt hatten und sie Dinge getan hatte, die sie nicht nur den Job kosten, sondern sie jahrelang ins Gefängnis bringen würden, wenn ihre Vorgesetzten davon erführen.
    Sie hatte Susan eine Blöße geboten, aber Offenheit war hier angebracht, fand sie. Wenn in dieser ganzen irrsinnigen Geschichte überhaupt jemand ein Recht auf ehrliche, ungeschminkte Berichte hatte, dann Susan Staal.
    »Bist du eine Freundin von ihm?«
    Joyce schüttelte den Kopf.
    »Wann habt ihr euch denn kennengelernt?«
    »Kennenlernen ist ein großes Wort … Letzte Woche habe ich ihn zum ersten Mal getroffen. Ich habe ihn aufgespürt, nachdem ich dahintergekommen war, dass du gefangen gehalten wurdest. Er war gerade in Südfrankreich. Dort habe ich ihn zum ersten Mal im Leben gesprochen.«
    »In Frankreich?«
    Joyce nickte geistesabwesend. Sollte sie Susan jetzt schon von Flint erzählen? Musste nicht erst Maier davon erfahren?
    Susan biss einen Happen von ihrem Brot ab und kaute energisch darauf herum. »Dafür, dass du ihn erst vor einer Woche kennengelernt hast, nimmst du aber ziemliche Risiken auf dich. Und mich kennst du überhaupt nicht. Trotzdem führst du eine Akte über ihn und mich.« Sie blickte auf. »Sonderbar, oder?«
    Joyce ballte eine Faust und presste sie gegen ihren Mund, wobei sie die Lippen so fest zusammendrückte, dass sie ganz weiß wurden. Sie hatte es so lange verschwiegen, dass es ihr zur zweiten Natur geworden war zu lügen, ohne mit der Wimper zu zucken. Ihre Kollegen, Jim, sogar Maier hatte sie angelogen. Ihn vielleicht sogar in erster Linie.
    Aus purem Selbsterhaltungsinstinkt war sie nicht damit herausgerückt, aus Angst, dass er in Wirklichkeit vielleicht ein ganz schlechter Mensch war. Sie hatte zu viel mit kaputten, finsteren Typen zu tun gehabt, als dass sie ohne Weiteres vom bestmöglichen Szenario auszugehen gewagt hätte. Und Flint hatte sie in ihrem Misstrauen noch bestärkt.
    Nachdem sie Maier gefunden hatte, vor nunmehr zwei Jahren, hatte sie sofort Flint aufgesucht, in der naiven Annahme, dass dieser über die Nachricht erfreut wäre. Seine Reaktion war jedoch unterkühlt und zurückhaltend gewesen: »Sei vorsichtig, du kennst ihn nicht. Er ist ein erwachsener Mensch, Joyce. Du weißt nicht, welche Entscheidungen er

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