Verschleppt
Dreisitzer-Sofa aus schwarzem Leder an einer weißen Wand, neben einem Fenster mit Blick auf die Stadt Eindhoven und die Autobahn. Auf der anderen Seite des Raums fiel vor allem ein Flachbildfernseher auf einer Anrichte ins Auge. Dann gab es noch die Essecke, aus zweiter Hand, weißes Teakholz, Stühle mit Skai-Bezug. Das war alles. Früher hatte sie Pflanzen gehabt, aber sie hatte einfach kein Talent, Leben zu erhalten. Das konnten andere besser. Zum Beispiel Leute, die in Krankenhäusern arbeiteten, wie Jim.
Als sie ihn das erste Mal mit nach Hause genommen hatte, hatte er sich erstaunt umgesehen und gefragt, wo denn der Typ stecke, der anscheinend sonst in diesem Single-Haushalt wohnte. Er hatte etwas ganz anderes erwartet, etwas, was besser zu ihr als Person gepasst hätte. Etwas Weiblicheres, hatte er gesagt. Etwas Raffiniertes. Er hatte damals alles noch durch eine tiefrosa Brille betrachtet.
Die Inneneinrichtung spiegelte genau ihren Lebensstil wider. Sie war mit ihrer Arbeit verheiratet und so gut wie nie zu Hause. Lieber ging sie ins Fitnesscenter, zum Joggen oder in eine Kneipe. Wenn sie doch mal zu Hause war, entspannte sie sich, indem sie sich Filme ansah.
Häuslichkeit machte sie unruhig.
Sie kniete sich vor die Anrichte und zog die unterste Schublade auf. Vor ihr lag nun die Akte, in der sie alles aufhob, was sie über Maier finden konnte. Sie nahm sie mit ins Schlafzimmer, schob einen Stuhl vor den Schrank und versteckte sie oben hinter einer zusammengelegten Decke und ein paar flachen Kartons. Es war der ideale Platz dafür.
Wieder im Wohnzimmer nahm sie die Sporttasche und den Laptop vom Tisch und fischte ihre Schlüssel vom Haken. Schlüpfte in ihre Daunenjacke und zog die Tür hinter sich zu.
Inzwischen war es dunkel geworden. Sechs Stockwerke tiefer standen im Licht der Straßenlaternen glänzende Autos auf dem Parkplatz. Der Novemberregen prasselte auf das Metallgeländer des Laubengangs. Regen war gut, dachte Joyce. Es konnte gar nicht stark und lange genug regnen. Wasser hatte die Eigenschaft, gewisse Spuren zu verwischen.
Feuer übrigens auch, noch viel effizienter sogar.
Sie fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss und sah auf die Uhr. Es war kurz nach sieben. Fünfzehn Stunden waren vergangen, seit sie den BMW mitsamt Eigentümer und allem Drum und Dran lichterloh in Flammen hatte aufgehen lassen. Die im Handschuhfach gefundenen Putztücher und das Benzin aus dem Tank hatten dafür genügt.
So leicht das für sie gewesen war, die Sache zu inszenieren, so schwer würde es nun für ihre Kollegen sein, den Mord zu rekonstruieren und verwertbare Spuren zu finden.
Sie öffnete ihren Subaru Impreza, stieg ein, stellte die Tasche neben sich, fuhr vom Parkplatz herunter und schlug den Weg in Richtung Eindhoven Flughafen ein. In anderthalb Stunden ginge von dort ein spottbilliger Ryanair-Flug nach Marseille. Falls der voll wäre, würde sie durchfahren, über Nacht. Im Prinzip konnte sie dann morgen früh gegen sieben in Puyloubier sein.
Während sie den blauen Subaru durch die verkehrsreichen Straßen manövrierte, fragte sie sich, ob das Team wohl schon an Ort und Stelle war. Ob sie den Tatort bereits abgesperrt hatten, mit der Spurensicherung beschäftigt waren und das gerichtsmedizinische Institut die verkohlten Überreste von Robby Faro bereits als solche identifiziert hatte. Das konnte innerhalb von ein paar Stunden geschehen sein, denn bei Robbys Hintergrund war die Chance, dass sich seine DNA in ihrer Datenbank befand, zehn zu eins. Wenn sie wussten, wer er war, würden sie als Erstes seine Wohnung durchkämmen. Dann würden sie anfangen, Leute zu vernehmen, die ihn womöglich zum letzten Mal gesehen hatten. Diese Spur würde zu seiner Stammkneipe in der Innenstadt führen, wo am Wochenende dermaßen viele kleine Gauner herumhingen, dass es für dreihundert Jahre Knast locker reichte. Da verfolgte jeder seine eigenen Interessen – ein Alptraum für jede Spezialeinheit. Damit wären sie erst mal eine Weile beschäftigt. Natürlich würden sie Robbys Familie benachrichtigen; seiner Akte zufolge hatte er zwei ältere Schwestern und eine Mutter. Sie würden seinen Kontobewegungen nachgehen. Einer ihrer Kollegen würde herauszufinden versuchen, ob Robby Schulden gehabt hatte, im wahrsten Sinne des Wortes unbeglichene Rechnungen, und ob irgendjemand von seinem Tod profitierte. Der Vollständigkeit halber standen sie demnächst bestimmt auch noch mal bei Maxim auf der Matte. Das hatte ihr
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