Verschleppt
sowieso keinen anderen Job suchen können.« Er schniefte noch einmal und sah Maier ins Gesicht. »Es lief alles nicht gerade gut. Und ich hatte Hummeln im Hintern.«
Maier blieb regungslos sitzen. Sagte kein Wort.
Flint wandte den Kopf ab und richtete den Blick auf die Hügel. Das spärliche Licht, das durch die Gardinen fiel, legte einen Grauschleier auf sein Gesicht. »Ich war so jung. Was wusste ich schon? Ich habe es probiert, aber ich konnte es nicht … alles schien sich gegen uns verschworen zu haben. Also habe ich mich aus dem Staub gemacht. Ich feiger Hund.«
»Vielleicht eine komische Frage, aber konnten deine Eltern euch nicht unter die Arme greifen? Oder Marias Mutter?«
Ungläubig hob Flint die Brauen. Kurz meinte Maier einen Abglanz dessen zu erhaschen, was dieser Mann einst gewesen war, bevor die Krankheit ihn niedergestreckt hatte. Ein Mann von grimmiger, reizbarer Natur. Jetzt lag er in diesem Bett und sah zwanzig Jahre älter aus als er sein konnte, aber in besseren Zeiten war er bestimmt eine beeindruckende Erscheinung gewesen. Da war kein Zweifel möglich.
»Meine Eltern?« Er gab sich keinerlei Mühe, seine Geringschätzung zu verbergen. »Die waren froh, dass ich zur Armee gegangen bin, da hatten sie ihre Ruhe. Es hatte schon seine Gründe, dass ich nie zurückgekehrt bin. Und Marias Mutter … bei allem Respekt vor dem, was sie später wohl für dich getan hat: Maria und mich hat sie im Stich gelassen.« Flint ließ eine kurze Pause entstehen. Leise fügte er dann hinzu: »Eine Nachbarin von uns hatte Telefon. Einmal im Monat ging Maria zu ihr und rief ihre Mutter in den Niederlanden an. Fünf Minuten, nicht länger, das war zu teuer. Und viel länger ging es auch nicht, ohne dass die beiden anfingen, einander alle möglichen Vorwürfe zu machen. Maria war wirklich nicht der Typ dafür, jemanden um Hilfe zu bitten, das lag ihr einfach nicht. Mir übrigens auch nicht. Außerdem mochte Maria diesen Holländer nicht, mit dem ihre Mutter dann neu verheiratet war.«
»Ein Holländer?«
»So nannte Maria ihn: der Holländer. Sie hasste ihn. Ihre Mutter hatte ihn anscheinend ziemlich bald nach dem Tod ihres Manns kennengelernt. Und ihn geheiratet, noch ehe Maria so richtig mitbekommen hatte, dass es ihn gab. Kurz nach dem ganzen Brimborium um die Hochzeit ist sie mit ihm in die Niederlande gezogen.«
»Wann war das ungefähr?«
»Maria war vielleicht neunzehn, glaube ich – etwa ein Jahr, bevor wir uns kennengelernt haben.«
Im Stillen rechnete Maier zurück. »Dann hat Oma nicht viel von dem Typen gehabt. Als sie mich zu sich nahm, war sie bereits Witwe. Komisch eigentlich, dass sie in den Niederlanden wohnen blieb, obwohl sie eine Tochter in München hatte.«
»Wird wohl eine Geldfrage gewesen sein. Wegen der Rente oder so. Und es war schon zu viel kaputt zwischen den beiden. Maria fühlte sich von ihr im Stich gelassen. Und das ist noch harmlos ausgedrückt.«
»Was ist eigentlich mit meinem Großvater passiert? Woran ist er gestorben?«
»Der erste Mann deiner Großmutter, meinst du? Offiziell war es was mit dem Herzen, aber da darf man wohl ein bisschen skeptisch sein. Maria meinte, es war der Alkohol. Anscheinend hat er gesoffen. Ich habe ihn nie kennengelernt, den Alten, aber Maria liebte ihn heiß und innig. Sie meinte selbst, sie sei ihm sehr ähnlich.« Flint stellte den Becher neben sich auf den Nachtschrank.
»Was hatte er denn für einen Beruf?«
»Er war Architekt.« Flint sah Maier ins Gesicht. »Vielleicht kriegst du jetzt insgesamt einen schlechten Eindruck, aber die Familie Maier war kein so übles Nest. Durchaus nicht. Zumindest nicht, als der Alte noch lebte. Danach ging allerdings alles den Bach runter. Sie hatten keine Versicherung, also mussten sie in eine Sozialwohnung umziehen. Und nachdem sie emigriert war, sind die Dinge zwischen Maria und ihrer Mutter nie wieder ins Lot gekommen.«
Maier bildete mit den Händen ein umgedrehtes V über seiner Nase. »Gut«, murmelte er, »verstehe ich das richtig? Meine Mutter hat ihren Vater verloren, und kurz darauf ist ihre Mutter mit einem neuen Mann in die Niederlande gezogen. Sie blieb allein zurück, wohnte bei einer Freundin, ärmliche Verhältnisse, sie begegnete dir und verliebte sich, sie verlor ihren Job, und daraufhin hast du dich aus dem Staub gemacht, obwohl sie gerade hochschwanger von dir war?« Er sah Flint eindringlich an. »Stimmt die Geschichte so?«
Flint schüttelte dezidiert den Kopf. »Nein.
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