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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edi Graf
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und Knarren der Kormorankolonie,
die auf ihren Schlafbäumen am See gerade zum Leben erwachte, war zu hören.
    »Herr Eberle?
Hallo?« Der Mann, der sich in dem Schuppen versteckt hatte, verriet seine Anwesenheit
durch einen heftigen Hustenanfall. Dann krächzte er:
    »Verschwinden
Sie. Lassen Sie mich in Ruhe!«
    »Ich habe
Ihnen was zum Frühstück mitgebracht. Mögen Sie Käse? Oder lieber Wurst?«
    »Hauen Sie
ab! Sie sind doch sicher eine Bullenkuh!«
    Linda grinste.
    »Nein, ganz
sicher nicht. Aber ich möchte gerne mit Ihnen reden«, sagte sie laut.
    Schweigen.
Husten. Schweigen und schweres Atmen.
    »Was wollen
Sie?«
    »Ich habe
ein paar Fragen wegen Lene Grandel. Bitte, machen Sie auf. Agim Zoto kann jeden
Augenblick hier auftauchen, und ich möchte nicht, dass er uns zusammen sieht.«
    »Wenn Sie
keine Bullenkuh sind, warum interessieren Sie sich dann für mich?«
    »Weil Sie
der Einzige sind, der mir etwas über Lene Grandel erzählen kann.«
    »Und was?«
    »Hallo,
ich habe keine Lust, mit ihnen durch die geschlossene Tür zu schreien.«
    »Na schön.
Die Tür ist auf!« Sie drückte die Klinke, stieg die beiden Treppenstufen empor und
trat ein. Das Licht, das durch das einzige Fenster im Raum fiel, und der Schimmer
durch den Türspalt erhellten den Raum spärlich.
    Ein Lagerschuppen,
in dem sich Holzlatten, Bretter, Blechfässer, eine Schubkarre, Schaufeln, Brecheisen
und anderes Werkzeug türmten. Alles verstaubt und teilweise verrostet, ziemlich
verlottert, dachte Linda. Eine Holztreppe führte an der Wand nach oben. Von Pulle
war nichts zu sehen. Nur sein Husten verriet ihn.
    Jetzt hörte
sie schlurfende Schritte über sich. Sie erkannte zwei Beine, die die Holztreppe
herunter kamen. Langsam, fast schleichend. Dann den schwankenden Körper, Hände,
die sich an Wand und Geländer hielten, dann stand Pulle hustend vor ihr.
    Sie sah
in ein graues, ledriges Gesicht, das fast ganz von einem ungepflegten braungelben
Bart überwuchert wurde. Dort, wo die Barthaare lichter waren, gruben sich tiefe
Falten in seine hageren Wangen, die Augen lagen über aufgedunsenen Tränensäcken
tief in den Höhlen, dichte Haarbüschel wuchsen aus den Nasenlöchern. Der Mann hatte
sich seit Tagen, wenn nicht Wochen, nicht mehr gewaschen, sein Blick wirkte nervös,
und um die nikotingelben Mundwinkel herum waren die Lippen spröde und aufgeplatzt.
    Sie hörte
seine Lungen bei jeder seiner unbeholfenen Bewegungen pfeifen, und der Schleim in
seinen Bronchien rasselte beim Husten, mit dem er fast jeden seiner Sätze unterbrach.
Seine Ausdünstungen waren eine Mischung aus Alkohol, Urin, Schweiß und kaltem Rauch.
    Linda versuchte
angewidert, über die angelehnte Tür frische Luft zu schöpfen. Sie überwand ihren
Ekel, als er seinen Hustenanfall unter Kontrolle gebracht hatte, und reichte ihm
das Wurstbrötchen. Ohne zu danken nahm er es und verschlang es mit wenigen Bissen.
Er fuhr sich mit dem Handrücken über den kauenden Mund und suchte seinen Bart mit
der Zunge nach Essensresten ab.
    »Trockene
Angelegenheit«, röchelte er und schielte nach der Flasche, deren Hals mit Korken
aus ihrer halb geöffneten Handtasche ragte.
    »Später«,
sagte sie, »erst reden wir.«
    Er grunzte
etwas Unverständliches, ließ sich auf einem der im Raum liegenden Blechfässer nieder
und wartete.
    »Wie gut
kannten Sie Lene Grandel?«, begann Linda.
    »Besser
als die meisten anderen«, antwortete er. »Sie hat mir immer was zu trinken gegeben.
Und ich hab’ ihr dafür geholfen. Im Garten. Im Keller. Im Haus.«
    »Und in
der Schweiz!«, behauptete Linda. Sie war sich im Klaren darüber, dass sie mit der
Tür ins Haus fiel, doch sie hatte keine Zeit für lange Einleitungen. Sobald Agim
Zoto auftauchte, war das Gespräch beendet.
    »Woher wollen
Sie das wissen?«, brummte er.
    »Ich weiß
es eben. Und es stimmt, richtig?«
    »Sie sind
wirklich keine Bullenkuh?«
    Linda verneinte
abermals. Sie zog mit einer langsamen Bewegung den Spätburgunder ein Stück weit
aus der Tasche. Pulle sah es, und seine matten Augen leuchteten.
    »Mhm. Meinen
Sie, ich könnte mal einen kleinen Schluck …? Nur einen?«
    Armer Kerl,
dachte sie. Sie hatte nicht mal einen Korkenzieher dabei.
    »Was hatten
Sie in der Schweiz für Lene zu tun?«, fuhr sie unbeirrt fort.
    »Einen Umschlag
abholen.«
    »Geld?«
    »500 Franken.«
    »In Stein
am Rhein?«
    Pulle nickte
und ließ keinen Blick von dem Flaschenhals.
    »Und weiter?«
Linda setzte den Wein ungern als Druckmittel

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