Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)
wird den Fetisch wie ein Heiligtum behandeln und mit keinem Menschen über den
Voodoo sprechen, den Chief Adam Amaka Izoua über sie verhängen würde.
»Ich brauche
dein Haar«, raunt der Priester und schneidet ihr mit einer klapprigen rostigen Schere
drei Zöpfe ab. »Auch von dort«, sagte er und deutete zwischen ihre Beine. »Öffne
dich!«
Sie schiebt
die Beine auseinander und spürt, wie er sich unter ihrem Iro mit einem rauen Messer
an ihren Schamhaaren zu schaffen macht. Kurz glaubt sie, seine Finger würden in
sie eindringen, doch die Berührung ist nur oberflächlich. Alles andere ist sicher
eines Ju-Ju-Priesters nicht würdig, und sie schämt sich ihrer Gedanken.
»Noch von
da!«, fordert er und zeigt auf ihre Schultern. Sie hebt den Arm, und die rostige
Klinge schabt ein Büschel Haare aus ihrer Achselhöhle. Der Mann wirft Haare und
Zöpfe in eine Schale und stellt sie beiseite.
Chief Adam
Amaka Izoua setzt sich jetzt mit gerätschten Beinen vor sie, breitet ein buntes
Tuch auf dem Boden aus und wirft die von ihr mitgebrachten Kaurimuscheln darauf.
Mit vollen Zügen trinkt er aus ihrer Flasche den gepantschten Gin, scheint aber
nichts zu bemerken.
Seine rauchig
singende Stimme spricht eine Formel, und er verdreht dabei die Augen. Auf seiner
breiten Stirn erscheinen Schweißperlen. Plötzlich hat er einen Gegenstand in der
Hand, nicht größer als ein Hühnerei. Hadé kann nicht erkennen, ob es ein Knochen
ist oder ein Stück Holz. Eine weiche Masse scheint mit einer Schnur darauf befestigt
zu sein, und sie ahnt, dass es der Fetisch ist, ihr gris-gris, auf den er nun seinen
Zauber überträgt.
Der Priester
nimmt den Panzer der jungen Wasserschildkröte, in dem sie das Regelblut aufgefangen
hat, und schabt den geronnenen Inhalt über die abrasierten Haare und Zöpfe in der
Schale. Er greift nach dem Fetisch, legt ihn ebenfalls in die Schale, ritzt Hadés
Haut am Unterarm und lässt warmes Blut auf den schwarzroten Klumpen, der sich in
der Schale gebildet hat, und über den Kraftträger rinnen. Im Schein der Kerze, die
er inzwischen auf das Tuch gestellt hat, beobachtet er, wie sich die Schnur rot
färbt.
Er wiegt
Schale mit dem gris-gris bedeutungsvoll in seinen Händen und nickt. Ja, seine Kraft
wird auf Hadé übergehen, er wird die Macht des Ju-Ju auf sie ausüben können, eine
Macht, die sie auf ihrer langen Reise beschützen und ihren Körper und ihre Seele
vor Unheil bewahren wird, sagt er mit brüchiger Stimme.
Jetzt starrt
Chief Adam Amaka Izoua auf die Kaurimuscheln und blickt durch sie in die Zukunft.
Reichtum sehe er da und einen Mann mit heller Haut, der ihr seine Liebe schenken
werde. Er legt den Kräuterbund, der über der Kerze hängt und im Rauch den süßen
Duft verbreitet, in eine weitere Schale und hält sie vor Hadés Gesicht. Tief atmet
die junge Frau die Droge ein, langsam füllt sie ihre Lungen. Spürt die Kraft der
Trance, bemerkt nicht, wie ihr die Sinne schwinden.
26
Als Linda Roloff die staubige Zufahrt
zum Kieswerk erreichte, stellte sie erleichtert fest, dass das breite Rolltor noch
verschlossen war. Sie warf einen Blick in den Betriebshof und sah den hellbraunen
Rhodesian Ridgeback dösend im Zwinger liegen, die beiden Dobermänner waren nicht
zu sehen. Offensichtlich hatte sich Agim Zoto an die Anweisung der vermeintlichen
Ermittlerin gehalten und die Hunde eingesperrt gelassen.
Sie erreichte
das Gelände auf demselben Weg wie am Abend zuvor und sah sich jetzt, bei Tag, gründlich
um, bevor sie auf die Baracken zuging. Große Bagger und LKWs standen offen unter
einem flachen Dach, seltsame Schrägaufzüge und Förderbänder führten vom See zu den
Silos und einem hohen Betonturm und von dort weiter zu dem Teil des Werks, wo die
mächtigen Kies- und Sandhalden lagen. Seltsame Maschinen, die sicher der Reinigung
und Aufbereitung des Rohmaterials dienten, bildeten die unweit des Seeufers futuristisch
wirkende Kulisse für den von Lehmpfützen und Reifenspuren durchzogenen Innenhof,
wo sie vor einer kleinen Baracke die rechteckige Abgrenzung der Fahrzeugwaage am
Boden erkannte.
Drüben,
in einem der länglichen Schuppen, bewegte sich etwas an einer der staubigen Fensterscheiben
des Dachgeschosses. Sie wurde beobachtet. Linda ignorierte das Bellen der Hunde,
ging hinüber und klopfte an die verzogene Holztür. Keine Reaktion.
»Machen
Sie auf, Herr Eberle, ich weiß, dass Sie da drin sind.«
Keine Antwort.
Die Hunde hatten sich rasch beruhigt. Nur das Schnarren
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