Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)
leicht vor.«
»Du bist
doch sonst nicht so schreckhaft!«
Alan brummte.
Was sollte
er sagen?
Lagos! Er
dachte mit Schrecken an seinen Aufenthalt in diesem Moloch. Hatte eigentlich nicht
vorgehabt, noch einmal dorthin zurückzukehren. Und dennoch: sein Ehrgeiz war geweckt.
Sein Ehrgeiz, Linda nicht zu enttäuschen. Auf der anderen Seite: was musste er ihr
denn noch beweisen? Sie hatten genügend Abenteuer zusammen erlebt, und er hatte
oft genug Gelegenheit gehabt, ihr seine Meisterschaft im Busch zu zeigen. Linda
ließ nicht locker.
»Mann, das
wär’ echt cool, wenn du hinfliegen würdest. Nur zwei, drei Tage. Lagos ist die Drehscheibe
für das Recycling von europäischem Elektroschrott. Ich fax dir mal einen Artikel
aus National Geographic . Vielleicht kennst du ja die Plätze in der Stadt,
wo die das Zeug lagern und zerlegen, um an die Edelmetalle ranzukommen. Ich muss
wissen, ob eine bestimmte deutsche Firma dabei ihre Finger im Spiel hat!«
Alan gab
sich geschlagen.
»Ich check
mal, ob es Flüge gibt.«
»Ja, gut.
Schick mir ’ne SMS, wenn du was weißt. Ich muss jetzt eh’ los.« Schnell und ohne
persönliche Worte beendete sie das Telefonat. Alan starrte auf das Mobiltelefon
in seiner Hand. Verbindung beendet .
›Zu Befehl,
Memsahib!‹, dachte er und schwang sich hinter das Steuer seines Jeeps. Von der Farm
brauchte er knapp vier Stunden zum Flughafen.
29
Es gibt keinen Flug nach Europa.
Nicht für
Hadé. Auch nicht für ihre Schwester Sema. Vielleicht hat das daran gelegen, dass
in ihrem Pass, den sie von Mahama bekommen hat, zwar ihr Foto klebt, aber nicht
ihr richtiger Name steht. Dafür ein Visum. Ein echtes, wie Mahama betont hat. Alles
andere sei zu riskant. Aber mit diesem Pass bekommt man eben keinen Flug, sagt Mahama.
»Für das
Visum schuldest du mir 10.000 Euro, und das ist ein Freundschaftspreis. Ich kenne
Leute, die verlangen das Vierfache«, hat er gesagt, »aber dafür landest du auch
nicht im Gefängnis. Ich kann es dir auch billiger besorgen. Den Pass einer Frau,
die so ähnlich aussieht wie du. Aber wenn sie dir dahinter kommen, wirst du es büßen.«
Also hat
sie sich auf den Deal eingelassen. In einem Jahr könne sie ihre Schulden bequem
abbezahlen, hat Mahama hinzugefügt. Er habe sich um alles gekümmert.
Wirklich
um alles:
»Du wirst
genug verdienen in Europa. Es gibt dort eine Frau, die für dich sorgen wird. Madame
besorgt dir Essen, Kleidung und Arbeit«, sagt er. »Und wenn du noch mehr Geld brauchst,
schlafe mit Männern, das kannst du ja!«
Seinen letzten
Satz hat sie in diesem Moment überhört. Sie wird ihr Geld auf andere Weise verdienen
können. Glaubt sie. Immerhin ist sie in die Schule gegangen, kann lesen und schreiben.
Hat sogar die Sprache des Landes gelernt, in das sie reist.
Schon wenige
Tage später wird sie sich an diesen Satz erinnern. Und wissen, dass Mahama recht
hat. Der Menschenhändler weiß, wozu er die Frauen auf die Reise schickt.
Sema und
Hadé warten in Sokoto im Norden ihres Landes auf die anderen Frauen aus Ghana, Benin
und Nigeria und einige Männer, die ebenfalls keine Flüge bekommen haben, dann fahren
zwei Dutzend Menschen auf dem kleinen Lastwagen nach Tillabéry in Niger.
»Ihr werdet
eure Freiheit bezahlen müssen«, erzählen die Männer, mit denen sie – eng zusammengepfercht
wie die Ziegen auf dem Transport zum Markt – auf der Ladung des LKW sitzen. »Wir
alle werden unsere Freiheit für viel Geld kaufen müssen, aber ihr werdet zahlen
für uns! Ihr Frauen bezahlt für eure Männer und Kinder, für eure Brüder und Söhne.«
Hadé glaubt
auch ihnen so wenig wie sie Mahamas Satz geglaubt hat.
In Tillabéry
wird sie eines Besseren belehrt.
Akpan ist
jünger als Hadé und sieht sie mit unverhohlener Gier an. Er ist ganz in Schwarz
gekleidet, ein kurz geschnittener Vollbart und eine dunkle Sonnenbrille, die er
auch bei Nacht nicht abnimmt, prägen sein Gesicht. Mahama bezahlt ihn dafür, die
Frauen durch die Wüste ans Meer zu bringen. Hadé hört zum ersten Mal das Wort Trolley
– für Schlepper. Akpan ist Hadés und Semas Trolley.
An jenem
Abend in Tillabéry lernt sie ihre Lektion: wer kein Geld hat, bezahlt mit seinem
Körper. Wer Geld braucht, gibt seinen Körper dafür her. So einfach ist das Gesetz
der Reise ins Paradies. Hadé und ihre Schwester haben kein Geld – sie haben alles
vor ihrer Abreise Mahama gegeben. Akpan vergewaltigt sie beide, denn ein Trolley
holt sich, was er braucht bei den Frauen, die
Weitere Kostenlose Bücher