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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edi Graf
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draußen.
    Nur die
Eingangstür selbst und etwa zwei Meter der Hauswand um den Zugang herum glänzten
in frischer Farbe. Knalliges Rot. Ein zerfledderter Lampion, der früher einmal orange
gewesen war und zu seinen guten Zeiten jedem Chinarestaurant als Werbung hätte dienen
können, hing neben der Tür, nichts verriet sonst, dass es hier käufliche Liebe gab.
    Linda zögerte,
als sich ihr Finger den Klingelknöpfen näherte. Sie las die fünf Mädchennamen Katja,
Yessi, Nastassja, Nelly, Olga.
    Hadé war
nicht darunter. Sie läutete trotzdem.
    Nichts geschah.
Sie sah auf die Uhr und versuchte es noch einmal.
    Jetzt!
    Geräusche.
    Knarrende
Treppenstufen?
    Schlurfende
Schritte von innen.
    Ein Schlüssel
im Schloss.
    Die Tür
ging auf. Sie sah in das bullige Gesicht eines Kastens Mitte 50. Die schwarzen,
offensichtlich gegelten Haare waren streng zurückgekämmt und klebten an dem kantigen
Schädel, Kinn und Wangen waren unrasiert, dicke Ringe hingen unter den schräg stehenden
dunklen Augen, und seine Nase schien mehrfach gebrochen. Eine deutliche Alkoholfahne
schlug ihr entgegen, als er mürrisch »ja?« sagte.
    Linda hielt
ihn für einen Südosteuropäer. Ein Typ wie Agim Zoto, nur schwerfälliger, massiger.
Ehemaliger Boxer oder Gewichtheber, tippte sie. Heute Türsteher in einem Nachtclub
oder Hausmeister im Bordell. Ein ›Good Boy‹, wie Hadé diese Typen genannt hatte.
    Als er erkannte,
dass ihm eine Frau gegenüberstand, stockte er.
    »Du hier
sicher falsch«, hörte sie ihn murren. Sein Akzent verriet, dass sie richtig getippt
hatte: Südosteuropa.
    »Wohnt hier
Hadé?«, fragte sie, seine Bemerkung überhörend.
    »Hm«, knurrte
er, »Hadé? Kenn nicht. Wie sieht aus?«
    »Nigerianerin.
Meine Größe. Anfang 30. Eine Narbe auf der rechten Wange.«
    »Du meinsch
Nelly. Und was willsch von Nelly?«
    »Ist sie
da?«, überging sie seine Frage.
    »Weiß nicht.
Frauen jetzt schlafen oder frei. I glaub, Nelly isch in Stadt.«
    »Kann ich
ihr Zimmer sehen?«
    »Du Polizei?
Wiederkommsch, wenn Madame da.«
    Madame!
Das war das Zauberwort. Sie war also auf der richtigen Spur!
    »Würden
Sie mir das Zimmer auch zeigen, wenn ich nicht von der Polizei bin?«, fragte sie
und zog einen Fünfziger aus ihrem Portemonnaie.
    Der Bullige
grinste, nahm ihr den Schein aus der Hand und drehte sich um. Er schien nicht gerade
der Hellste zu sein. Ohne ein Wort zu sagen schlurfte er die Treppe hinauf und deutete
in dem düsteren Gang nach links. Am einzigen Fenster am Ende des Flurs waren die
Läden ebenfalls geschlossen, Licht hatte der Boxer nicht gemacht.
    »Da isches.
Letzte Tür rechts. Aber schnell mach! Madame glei zurück, du dann wieder weg! Klaro?«
    »Madame?«,
fragte sie jetzt und sah ihn unverfänglich, mit einem weiteren 50-er winkend, an.
    »Erzählst
du mir ein bisschen mehr von ihr?«
    »Was? Von
Madame?«
    Sie nickte.
Er schielte nach dem Schein.
    »Madame
gehört Haus. Sie zahlt für älle. Sie gut zu älle. Sie sorgt für älle.«
    »Wie heißt
sie denn richtig?«
    »Sie heißt
Madame. Älle saget Madame. Sie kauft für älle ein. Bringt Essen, Trinken. Ohne Madame
wär’s Scheiße.«
    »Hat sie
das schon immer gemacht?«
    »Ja. Außer
ganz früher. Sie auch war wie die andere Mädle. Sie viel g’schafft. Und jetzt isch
sie Madame.«
    »Und du?
Was machst du hier?«
    »Ich pass
auf. Auf die Mädle. Für Madame. Und jetzt musch beeilen!«
    Mehr würde
sie nicht aus ihm herausbekommen. Sie gab ihm den Schein, er rülpste, drückte sich
an ihr vorbei und verschwand in dem Zimmer, das der Treppe am nächsten war. Sie
stand allein auf dem Flur und wartete, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt
hatten. Dann tastete sie sich an der Wand entlang bis zur letzten Tür, klopfte leise
an und schob sie, nachdem niemand geantwortet hatte, auf.
    Diffuses
Licht umgab sie, die Fensterläden waren nicht ganz zugezogen worden, und durch die
grauen Gardinen drang etwas Tageslicht in den Raum. Sie suchte den Lichtschalter
und schloss die Tür hinter sich.
    Das warme
Rot, in dem alle vier Wände gestrichen waren, gab dem Zimmer eine gewisse Behaglichkeit,
die durch das Licht des Deckenfluters, der jetzt eine Ecke matt erhellte, noch unterstrichen
wurde. Der Duft in dem Raum war süßlich, eine Mischung aus Parfüm, Deo und Räucherstäbchen,
dachte Linda, und doch stickig – das Fenster war sicher seit Tagen nicht mehr geöffnet
worden.
    Den Mittelpunkt
des Zimmers nahm das Doppelbett ein, das erstaunlich ordentlich

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