Verschlossen und verriegelt
weiter hinauf und endete dann oberhalb der Feuerwache. Ein kurzes Straßenstück verband die Bergsgatan mit der Hantverkargatan. Martin Beck dachte, dass er diesen Weg nehmen würde, sobald er mit seiner Untersuchung fertig war, denn er konnte sich nicht erinnern, wie diese Straße hieß oder dass er sie jemals gegangen wäre.
Dem Fenster gegenüber lag der Kronobergspark, den man wie viele andere Stockholmer Parks auf einer natürlichen Erhebung angelegt hatte. Als er noch in Kristineberg arbeitete, hatte Martin Beck oft die Abkürzung durch den Park genommen. Damals durchquerte er den Park stets zwischen der Steintreppe im Winkel an der Polhemsgatan und dem alten jüdischen Friedhof auf der gegenüberliegenden Seite. Manchmal war er stehengeblieben und hatte auf einer Bank unter den Linden auf der Hügelkuppe eine Zigarette geraucht.
Jetzt sehnte er sich nach einer Zigarette und tastete seine Jackentaschen ab, obwohl er wusste, dass er keine dabeihatte. Er seufzte resigniert und dachte, dass er stattdessen vielleicht lieber Kaugummi kauen oder Halsbonbons lutschen sollte. Oder auf Zahnstochern herumkauen wie Mänsson in Malmö. Er betrat die Kochnische. Das Fenster dort war in einem noch schlechteren Zustand als das im Zimmer, aber hier waren die Ritzen mit Klebeband abgedichtet worden. Alles in dieser Wohnung wirkte heruntergekommen, nicht nur Tapeten und Farbe, sondern auch der kärgliche Hausrat. Martin Beck wurde von einem dumpfen Gefühl unendlicher Tristesse übermannt, als er sich in der kleinen Wohnung umsah. Er öffnete alle Schubladen und Schränke. Es war kaum etwas vorhanden, nur das Allernotwendigste an Küchengerätschaften.
Er ging in den engen Flur und öffnete die Tür zur Toilette. Ein Badezimmer oder eine Dusche gab es nicht. Dann untersuchte er die Wohnungstür und stellte fest, dass sie mit den diversen Schlössern gesichert gewesen war, die in den Berichten erwähnt wurden, und es wirkte nicht unwahrscheinlich, dass sie alle verschlossen waren, als die Tür schließlich entfernt oder »gewaltsam geöffnet« worden war, wie es im Polizeijargon hieß.
Die Sache war wirklich äußerst verblüffend. Die Tür und die beiden Fenster waren geschlossen gewesen. Kvastmo hatte ihm gesagt, dass in der Wohnung keine Waffen zu sehen gewesen waren, als er und Kristiansson sie betreten hatten. Außerdem hatte er erklärt, die Wohnung sei die ganze Zeit bewacht worden und es sei ausgeschlossen, dass jemand sie betreten und einen Gegenstand entfernt hatte.
Martin Beck stellte sich erneut in den Türrahmen und blickte in den Raum hinein. An der inneren Stirnwand stand ein Bett und daneben ein Regal. Auf dem Regal befanden sich eine Lampe mit einem faltigen, gelben Stoffschirm, ein gesprungener Aschenbecher aus grünem Glas und eine große Streichholzschachtel. Im Regal lagen zwei zerlesene Zeitschriften und drei Bücher. An der Wand zur Rechten stand ein Stuhl mit fleckigem, grünweiß gestreiftem Sitzpolster und an der gegenüberliegenden Wand ein braunlackierter Tisch mit einem ebenso braunlackierten Küchenstuhl. Ein Stück ins Zimmer hinein stand ein elektrischer Heizkörper mit einer schwarzen Schnur, die sich zu einer Steckdose ringelte. Jemand hatte den Stecker herausgezogen. Darüber hinaus hatte noch ein Teppich auf dem Fußboden gelegen, den man jedoch ins Labor geschickt hatte. Auf ihm waren drei Blutflecke mit Svärds Blutgruppe inmitten einer Menge anderer Flecken und Schmutzpartikel gefunden worden. An das Zimmer schloss sich außerdem ein begehbarer Kleiderschrank an, auf dessen Boden ein schmutziges Flanellhemd von unbestimmbarer Farbe, drei schmutzige Strümpfe und eine leere, abgewetzte Segeltuchtasche lagen. Auf einem Kleiderbügel hing ein relativ neuer Popelinemantel und an einigen Haken in der Wand eine graue Flanellhose mit leeren Taschen, ein grüner, ärmelloser Strickpullover und ein graues, langärmeliges Unterhemd. Das war alles.
Dass Svärd woanders angeschossen worden und in die Wohnung gegangen war, die Tür hinter sich abgeschlossen und verriegelt und sich anschließend zum Sterben hingelegt hatte, war laut Pathologin ausgeschlossen. Martin Beck war zwar Laie, verfügte jedoch über genügend Erfahrung, um zu wissen, dass sie recht hatte. Wie hatte es sich abgespielt?
Wie hatte Svärd erschossen werden können, wenn niemand in seiner Wohnung gewesen war und er selber es nicht getan hatte?
Als Martin Beck erst einmal entdeckt hatte, wie schlampig die Polizei das Ganze
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