Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
eine Windschutzscheibe besaß, die mehr wert war als der ganze Rest. Es herrschte noch nicht viel Verkehr, so dass die Fahrt nicht allzu lange dauerte. Er fuhr über die Küstenstraße nach North Berwick und vermied es, allzu oft zu schalten. Gleich hinter der Stadt fand er das Haus, das er suchte. Nun ja, eher ein Anwesen. Es lag auf einem Grundstück von etwa anderthalb Hektar, mit freiem Blick über den Forth bis zum dunkel aufragenden Felsen der Insel Bass Rock. Rebus kannte sich nicht gut mit Architektur aus — georgianisch vermutete er. Das Gebäude sah aus wie viele Häuser in der New Town von Edinburgh, mit kannelierten Säulen zu beiden Seiten des Eingangs und großen Schiebefenstern, von denen jede Hälfte aus neun Scheiben bestand.
Broderick Gibson hatte es weit gebracht seit jenen Tagen, als er in seinem Gartenschuppen mit Rezepten zum Bierbrauen herumexperimentierte. Rebus parkte vor dem Eingang und klingelte. Mrs Gibson öffnete die Tür. Rebus stellte sich vor.
»Sie sind ein bisschen früh, Inspector. Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
»Ich möchte nur kurz Ihren Sohn sprechen.«
»Er ist gerade beim Frühstück. Nehmen Sie doch bitte so lange im Wohnzimmer Platz. Ich bringe Ihnen …«
»Schon gut, Mutter.« Aengus Gibson stand kauend in der Tür zum Esszimmer und wischte sich mit einer Stoffserviette den Mund ab. »Kommen Sie herein, Inspector.«
Rebus ging lächelnd an Mrs Gibson vorbei.
»Was ist denn mit Ihrem Bein passiert?«, fragte Gibson.
»Ich dachte, das könnten Sie mir vielleicht sagen, Sir.«
»Ich? Wieso?« Aengus hatte sich wieder an den Tisch gesetzt. Statt eines Frühstücks mit allem Pipapo — Terrinen mit diversen warmen Speisen auf Warmhalteplatten, Wedgewood-Porzellan und ein Diener, der den Tee einschenkte —, wie Rebus es sich vorgestellt hatte, sah er nur einen schlichten weißen Teller mit fettiger Wurst und Ei. Dazu gebutterten Toast und einen Becher Kaffee. Zwei Zeitungen lagen gefaltet neben Aengus — Mairies Blatt und die Financial Times. Zahlreiche Krümel auf dem Tisch ließen erkennen, dass die Eltern schon fertig waren.
Mrs Gibson streckte den Kopf durch die Tür. »Eine Tasse Kaffee, Inspector?«
»Nein, danke, Mrs Gibson.« Lächelnd zog sie sich zurück.
»Ich dachte bloß«, sagte Rebus zu Aengus, »dass Sie es vielleicht arrangiert hätten.«
»Ich versteh nicht, was Sie meinen.«
»Den Versuch, mich zum Schweigen zu bringen, bevor ich ein paar Fragen über das Central Hotel stellen kann.«
»Das schon wieder!« Aengus biss in eine Scheibe Toast.
»Ja, das schon wieder.« Rebus setzte sich an den Tisch und streckte das linke Bein aus. »Sehen Sie, ich weiß, dass Sie sich in jener Nacht, lange nachdem Mr Vanderhyde gegangen war, noch dort befanden. Ich weiß, dass Sie mit zwei Gaunern namens Tarn und Eck Robertson Poker gespielt haben. Ich weiß, dass jemand auf Tarn geschossen und ihn getötet hat, und ich weiß, dass Sie mit Blut im Gesicht in die Küche gerast sind und gebrüllt haben, man solle alle Gashähne aufdrehen. Das, Mr Gibson, weiß ich bereits.«
Gibson schien Mühe zu haben, den gekauten Toast hinunterzuschlucken. Er nahm einen großen Schluck Kaffee und wischte sich erneut den Mund ab.
»Nun ja, Inspector«, entgegnete er, »wenn das alles ist, was Sie wissen, würde ich sagen, Sie wissen nicht sehr viel.«
»Vielleicht möchten Sie mir ja den Rest erzählen, Sir.«
Beide schwiegen. Aengus spielte mit seinem leeren Becher. Rebus wartete, dass er etwas sagen würde. Da flog die Tür auf.
»Raus hier!«, brüllte Broderick Gibson. Er trug eine Hose und ein Hemd mit offenem Kragen, dessen Manschetten mangels Manschettenknöpfen herumschlackerten. Offensichtlich hatte seine Frau ihn beim Anziehen gestört. »Ich könnte Sie auf der Stelle verhaften lassen!«, schrie er. »Der Chief Constable hat mir gesagt, dass Sie suspendiert sind.«
Rebus stand ganz langsam auf, um sein verletztes Bein zur Schau zu stellen. Doch Broderick Gibson hatte kein Mitleid mit ihm.
»Und halten Sie sich von uns fern, es sei denn, Sie haben eine entsprechende Befugnis. Ich werde mich noch heute Morgen mit meinem Anwalt in Verbindung setzen.«
Rebus war inzwischen an der Tür. Er blieb stehen und fixierte Broderick Gibson mit dem Blick. »Das sollten Sie auch tun, Sir. Und am besten sagen Sie ihm auch gleich, wo Sie in der Nacht waren, in der das Central Hotel abbrannte. Ihr Sohn steckt übrigens in ernsten Schwierigkeiten, Sir. Sie können nicht
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