Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
oder so.«
»Was hat sie gesagt?«
»Sie hat gesagt, wenn sie was über …«
»Brian? Brian Holmes?«
»Aye, das war’s. Wenn sie was über ihn erfahren wollte, könnte sie im Krankenhaus anrufen, und das hätte sie heute bereits zweimal getan.« Also hatte Patience seinen Plan durchschaut, was ihn nicht überraschte, war ihre Intelligenz doch eins von den Dingen gewesen, die sie für ihn so attraktiv machten. Außerdem waren sie sich in vieler Hinsicht sehr ähnlich. Er nahm eine Schachtel Eier, eine Dose Bohnen und ein Päckchen Speck aus der Tüte.
»O mein Gott«, sagte der Student empört. »Wissen Sie eigentlich, wie intelligent Schweine sind, Mr Rebus?«
Rebus blickte auf das Sandwich des Studenten. »Sehr viel intelligenter als Erdnüsse«, erwiderte er. Dann: »Wo ist die Pfanne?«
Später am Abend sah Rebus fern. Zuvor war er kurz im Krankenhaus gewesen, um Brian Holmes zu besuchen. Er hatte sich überlegt, dass er schneller zu Fuß dort wäre als mit dem Auto. Also war er gelaufen und hatte versucht, einen klaren Kopf zu bekommen. Doch der Besuch selbst war deprimierend gewesen. Nicht die geringste Besserung.
»Wie lange wird er denn noch bewusstlos sein?«
»Das kann schon noch eine Weile dauern«, hatte eine Schwester ihm geantwortet.
»Es dauert schon eine Weile.«
Sie berührte seinen Arm. »Geduld, nur Geduld.«
Geduld. Patience! Fast hätte er ein Taxi zu ihrer Wohnung genommen, doch dann verwarf er den Gedanken. Stattdessen ging er zurück zur Arden Street, schleppte sich wieder die Treppe hinauf und ließ sich auf das Sofa plumpsen. Er hatte schon so viele Abende mit tief schürfenden Gedanken hier in diesem Zimmer verbracht, allerdings zu der Zeit, als die Wohnung noch die seine war.
Michael kam ins Wohnzimmer, frisch rasiert und geduscht. Er hatte ein Handtuch fest um seinen flachen Bauch geschlungen und schien gut in Form zu sein; das war Rebus bisher noch gar nicht aufgefallen. Doch Michael bemerkte Rebus’ Blick und klopfte auf seinen Bauch.
»Ein Gutes hat Peterhead ja, man treibt viel Sport.«
»Und außerdem muss man sich ja wohl auch fit halten«, sagte Rebus, »um sich wehren zu können, wenn einem jemand an den Arsch will.«
Michael schüttelte die Bemerkung ab. »Oh, in der Richtung läuft da auch ’ne Menge. Hat mich aber nie interessiert.« Pfeifend ging er in die Abstellkammer und begann sich anzuziehen.
»Gehst du aus?«, rief Rebus.
»Was soll ich denn hier?«
»Triffst du dich wieder mit diesem kleinen Mädchen?«
Michael streckte den Kopf durch die Tür. »Sie ist eine erwachsene Frau.«
Rebus stand auf. »Sie ist ein kleines Mädchen.« Er ging zur Abstellkammer und starrte Michael so eindringlich an, dass der mitten in der Bewegung innehielt.
»Was soll das, John? Willst du mich daran hindern, mit Frauen auszugehen? Wenn dir das keinen Spaß macht, ist das dein Bier.«
Rebus gingen die vielen Bemerkungen durch den Kopf, die er machen könnte. Das ist meine Wohnung … ich bin dein großer Bruder … du solltest es besser wissen … Doch es war ihm klar, dass Mickey nur — und das zu Recht — darüber lachen würde. Also sagte er was anderes.
»Du kannst mich mal, Mickey.«
Michael Rebus zog sich weiter an. »Tut mir Leid, dass ich so eine Enttäuschung für dich bin, doch was war die Alternative? Den ganzen Abend hier rumsitzen und dir zuschauen, wie du vor dich hinbrütest oder schmollst oder was auch immer? Vielen Dank, dazu habe ich keine Lust.«
»Ich dachte, du wolltest dich nach einem Job umsehen.«
Michael Rebus nahm ein Buch vom Bett und warf es nach seinem Bruder. »Ich seh mich um einen verdammten Job um! Was glaubst du denn, was ich den ganzen Tag mache? Nerv mich nicht damit, okay?« Er nahm seine Jacke und schob sich an Rebus vorbei. »Und bleib nicht meinetwegen auf.«
Das schien eher ein Witz zu sein, denn noch bevor die Zehn-Uhr-Nachrichten anfingen, war Rebus eingeschlafen. Es war jedoch kein ruhiger Schlaf, sondern einer voller Träume. Er jagte durch irgendein Bürogebäude hinter Patience her, doch sie entwischte ihm immer im letzten Augenblick. Er aß mit einem jungen Mädchen in einem Restaurant, während die Rolling Stones unbeachtet auf einer kleinen Bühne in der Ecke spielten. Er beobachtete, wie ein Hotel völlig abbrannte, und fragte sich, ob Brian Holmes, über dessen Verbleib man noch nichts wusste, lebend herausgekommen war …
Dann wachte er zitternd auf. Das Zimmer wurde nur vom Licht der Straßenlaterne vor
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