Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
Blatt Papier geheftet, auf dem mit dickem Filzstift geschrieben stand: »Der Verkauf geht weiter.« Interessant, dachte Rebus, während er sein Auto parkte. Ihm fiel auf, dass der Regen oder die Schuhe der Passanten die Blutspur auf dem Bürgersteig verwischt hatten.
Mr Bone, der Metzger, schnitt gerade Cornedbeef auf einer von Hand betriebenen Maschine. Zischend fuhr das Messer durch das Fleisch. Er wirkte kleiner und dünner als die meisten Metzger, denen Rebus begegnet war. Sein Gesicht bestand fast nur aus Wangenknochen und Sorgenfalten, die Haare waren schütter und grau. Sonst befand sich niemand im Laden. Rebus konnte allerdings hören, wie hinten jemand bei der Arbeit pfiff. Bone bemerkte, dass er einen Kunden hatte.
»Was darf’s denn sein, Sir?«
Rebus bemerkte, dass die Glastheke direkt neben dem Schaufenster leer war. Zweifellos sollte sie erst auf Glassplitter untersucht werden, bevor neue Ware hineinkam. Er deutete mit dem Kopf auf die Holztafel. »Wann ist denn das passiert?«
»Ach, letzte Nacht.« Bone legte das aufgeschnittene Cornedbeef in einen verschont gebliebenen Bereich der Glastheke und steckte das Preisschild hinein. Dann wischte er die Hände an seiner weißen Schürze ab. »Kinder oder Betrunkene.«
»Was war es denn, ein Ziegelstein?«
»Keine Ahnung.«
»Wenn nichts im Laden gelegen hat, muss es wohl ein Vorschlaghammer gewesen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand mit der Stahlkappe eines Schuhs einen solchen Schaden anrichten kann.«
Nun musterte Bone ihn genauer und erkannte ihn wieder. »Sie waren doch hier, als Rory …«
»Ganz genau, Mr Bone. Bei ihm haben die allerdings keinen Vorschlaghammer benutzt.«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Ein Pfund Rindswürstchen möcht ich übrigens.«
Bone zögerte, dann nahm er die Würstchenkette vom Haken und schnitt einige ab.
»Sie könnten natürlich Recht haben«, fuhr Rebus fort. »Es wäre möglich, dass es Kinder oder Betrunkene waren. Hat jemand was gesehen?«
»Keine Ahnung.«
»Haben Sie’s denn nicht gemeldet?«
»War nicht nötig. Die Polizei hat mich heute Morgen um zwei angerufen, um mir Bescheid zu sagen.« Er klang verärgert.
»Alles im Service inbegriffen, Mr Bone.«
»Ist ein bisschen mehr als ein Pfund«, sagte Bone, den Blick auf die Anzeige der Waage gerichtet. Er wickelte die Würstchen erst in weißes Papier, dann in braunes und schrieb den Preis mit Bleistift auf die äußere Verpackung. Rebus reichte ihm eine Fünfpfundnote.
»Dafür kommt ja wohl die Versicherung auf«, meinte er.
»Das will ich doch hoffen, bei dem Geld, das die verlangen.«
Rebus nahm sein Wechselgeld entgegen und wartete, bis Bone aufsah. »Ich meinte allerdings, die echten Versicherungsleute, Mr Bone.« In diesem Moment betrat ein älteres Ehepaar den Laden.
»Was ist denn passiert, Mr Bone?«, fragte die Frau, während ihr Mann hinter ihr hergeschlurft kam.
»Bloß Kinder, Mrs Dowie«, sagte Bone mit der Stimme, die er Kunden gegenüber benutzte, nicht jedoch Rebus. Er starrte Rebus an, der ihm zuzwinkerte, sein Päckchen nahm und hinausging. Draußen blickte er auf das braune Päckchen. Es fühlte sich kühl an. Hatte er sich nicht eigentlich vorgenommen, weniger Fleisch zu essen? Nicht dass in Würstchen viel Fleisch wäre. Ein weiterer Passant blieb stehen, betrachtete das verrammelte Schaufenster und ging dann in den Laden. Jim Bone würde heute ein gutes Geschäft machen. Alle würden wissen wollen, was passiert war. Und Rebus wusste es, auch wenn es nicht leicht zu beweisen sein würde. Siobhan Clarke war es immer noch nicht gelungen, das Opfer der Messerattacke zum Reden zu bringen. Vielleicht sollte Rebus sie ein bisschen drängen, gerade jetzt, wo sie Rory Kintoul eine Menge über das zerbrochene Fenster seines Cousins erzählen könnte.
Hinter seinem Auto hatte jemand einen Geländewagen mit Vierradantrieb geparkt, in dem ein riesiger schwarzer Hund herumtobte. Fußgänger machten einen großen Bogen um das Auto, und das zu Recht. Der ganze Wagen schwankte nämlich jedes Mal bedenklich, wenn der Hund gegen die Heckscheibe sprang. Rebus bemerkte, dass der rücksichtsvolle Besitzer eines der Fenster einen Spalt weit geöffnet hatte. Vielleicht war das aber auch nur eine Falle für besonders dämliche Autodiebe.
Rebus blieb vor dem Fensterschlitz stehen und ließ die Würstchen aus dem Paket in den Wagen gleiten. Sie fielen auf den Sitz. Der Hund roch kurz daran und machte sich dann über das
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