Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
Erwartungen.«
»Höhere Erwartungen?« Jetzt war ihm die Verärgerung schon deutlich anzumerken. »Das ist aber ziemlich unverschämt, mir gegenüber. Du lässt mich herkommen, machst mich an und lässt mich dann einfach so stehen. Du weißt, wie man solche Frauen normalerweise nennt.«
Sie hob langsam das Kinn, bis sich ihre Blicke trafen. Die ihren schossen glühende Pfeile ab. »Wenn du so über mich denkst, solltest du lieber gehen. Und zwar gleich.«
»Ich bin schon weg.« Er erhob sich. »Was zum Teufel willst du eigentlich?«
»Wenn du’s begriffen hast, kannst du wiederkommen.« Sie stand auf, griff nach seinem Hut und warf ihn ihm zu. »Aber wenn du hier weggehst, dir eine von diesen Frauen suchst und ich davon erfahre, bekommst du keinen Fuß mehr durch diese Tür.«
»Das heißt, ich kann weder dich haben noch eine andere, bis du es mir erlaubst?«
»Nein, Lo, du kannst nicht mich oder irgendjemand anders haben, solange du den Unterschied nicht begreifst. Du weißt ja, wo die Tür ist.«
Hin und her gerissen zwischen unbefriedigter Lust und Wut, lief Linda-Gail zurück ins Schlafzimmer und machte die Tür zu. Aber so, dass es knallte.
Einen Moment lang starrte ihr Lo ratlos hinterher. Was zum Teufel war hier eigentlich los? Er konnte sie immer noch schmecken, seine Handflächen waren immer noch warm von ihren Brüsten. Und sie haute einfach so ab und schlug diese verdammte Tür zu?
Wütend stürmte er hinaus. Frauen wie sie, dachte er, Frauen, die einen Man nur benutzen, herumkommandieren, Spielchen mit ihm spielen, sollten dafür büßen müssen.
Er stieg Türen knallend in seinen Truck und warf einen finsteren Blick auf das Haus mit den gelben Fensterläden. Wenn sie dachte, sie würde ihn kennen, dachte, sie hätte ihn am Haken, dann täuschte sie sich.
20
Es fiel ihr nicht schwer, das Joanie’s zu betreten. Was hatte sie schon zu verlieren? Unabhängig davon wie die Sache ausgehen würde, hatte sie in der Therapie gelernt, wie wichtig es war, sich Problemen zu stellen und sie zu lösen und natürlich auch Verantwortung zu übernehmen.
So gesehen war die damit verbundene Peinlichkeit eher ein geringer Preis für ihre geistige Gesundheit, redete sich Reece ein. Wenn sie die Peinlichkeit aushielt, würde sie vielleicht ihren Job wiederbekommen.
Zur Not würde sie vor Joanie auf die Knie gehen, sie wollte das nicht ausschließen.
Außerdem hatte in ihrem Horoskop gestanden, dass sie ihre Probleme angehen solle. Dann würde sie nämlich feststellen, dass sie längst nicht so schwer wogen wie gedacht.
Das war schon mal ein gutes Zeichen.
Trotzdem betrat sie das Diner durch den Hintereingang, und zwar zehn Minuten, bevor geöffnet wurde. Sie musste die peinliche Szene ja nicht gleich vor allen Gästen austragen, während diese an ihrem Steak und ihren Eiern kauten.
Joanie trug wieder ihre bequemen Schuhe und knetete gerade Teig in einer enormen Schüssel. Es duftete nach Kaffee und warmen Brötchen.
»Du bist spät dran«, blaffte Joanie sie an. »Wenn du keine Krankschreibung vom Arzt hast, werde ich dir das wohl oder übel vom Gehalt abziehen müssen.«
»Aber …«
»Bitte bloß keine Entschuldigungen! Ich will mich auf dich verlassen können – und ich will, dass du mir Zwiebeln, Chilischoten und Tomaten für die Huevos Rancheros klein hackst. Verstau deine Sachen und mach dich an die Arbeit.«
»In Ordnung.«
Kleinlauter, als wenn Joanie ihr die Tür gewiesen hätte, raste Reece ins Büro und deponierte dort ihre Handtasche und Jacke. Zurück in der Küche, griff sie nach einer Schürze. »Ich möchte mich für gestern entschuldigen.«
»Entschuldige dich, während du arbeitest. Ich bezahl dich nicht fürs Reden.«
Reece machte sich an der Arbeitsfläche zu schaffen. »Tut mir leid, dass ich gestern so unausstehlich war. Ich hatte kein Recht, dich zu beleidigen, auch wenn frische Kräuter und andere Basiszutaten deine Speisekarte durchaus bereichern könnten.«
Aus dem Augenwinkel sah Reece, wie Joanies Augenbrauen nach oben wanderten und sich ihre Lippen kräuselten. »Danke, das reicht.«
»Gut.«
»Schließlich bist du nicht wegen des verdammten Dills ausgerastet.«
»Nein. Das war nur der Auslöser, mit dem ich sozusagen um mich schlagen konnte.«
»Ich bin auch mal mit einer Leiche konfrontiert worden.«
»Wie bitte? Was?«
»Ich hatte meine Hütte an einen Typen aus Atlanta, Georgia, vermietet. Er hatte sie auch schon im Jahr davor, und in dem davor auch. Er
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